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Konzertkritik: Madness: Dreißig Jahre und ein bisschen bekloppt

"Thiiiis iiiis the heavy heavy monster sound of Maaad-ness!" So kündigen sich Madness seit ihrem ersten Album 1979 an. Gestern brachten die Briten die Zitadelle zum Wabern, Wippen, Wogen und Tanzen.

Mit Bier und Wurst und zwei Vorgruppen in Partystimmung gebracht, wimmeln kurz vor halb zehn alle vor die Bühne auf der Zitadelle. Weiße Hemden, schwarze Schlipse, T-Shirts mit Schachbrettmustern, kurze Jacken mit rot-kariertem Futter, Batschkapp auf dem Kopf, Two-Tone-Schuhe an den Füßen. Junge, Alte, Mittlere, Schrille und ganz Normale. Musiker-Gewusel auf der Bühne, dunkle Anzüge, Bürstenhaarschnitte, Sonnenbrillen. Lustig großmäulige Ansage: "Thiiiis iiiis the heavy heavy monster sound of Maaad-ness!" Und schon wackelt und schuckelt es oben und unten, tröten zwei Trompeten, Posaune und ein Tenorsaxophon zu Bass, Schlagzeug, Orgel.

So fängt es immer an, mit dem ersten Song vom ersten Album: "One Step Beyond". So hatte es schon vor dreißig Jahren angefangen, als Madness 1979 aus dem Londoner Stadtteil Camden Town auszogen, um neben den Specials zur treibenden Kraft des britischen Ska-Revivals zu werden, dieser erregenden Musik der Sechzigerjahre aus Jamaika, deren nervöser, rhythmischer Akzent munter aus dem Offbeat hüpft. Hochgeschwindigkeits-Polka, zu der es sich so schön wild tanzen lässt. Zuckende Bewegungen, Wedeln mit den Armen, Rennen auf der Stelle. Der "Nutty Dance" der "Nutty Boys". Ein bisschen Beklopptsein, ganz bewusst, ein großer Spaß zu diesen aufgedrehten Melodien. Keyboarder Mike Barson trägt eine Schweinepastetenhütchen, Gitarrist Chris Foreman zur weißen Gibson-Les-Paul einen Bowler Hat. Ein ausgelassener Fan drückt seiner Freundin die Stirn gegen den Bauch und schiebt die Kichernde rückwärts durchs Gedränge. Die ganze Zitadelle wabert, wippt, wogt und tanzt. Obwohl die "Nutty Boys" auf der Bühne eigentlich heute gar nicht mehr ihrem exzessiv fröhlich bekloppten Tanzstil von früher frönen. Inzwischen sind sie ja auch etwas älter geworden, erwachsener, ruhiger, runder.

Schon 1982 hatten sie den reinen "Nutty-Ska-Sound" ihrer Gründerjahre verändert in Richtung einer eingängigeren Pop-Musik. Mit einer endlosen Reihe von Hit-Singles wurden sie neben The Jam zur populärsten englischen Band der Achtziger. Bis zu ihrer Auflösung 1986.

Heute können die 1992 wiedervereinigten Madness all ihre musikalischen Wurzeln sehr schön und abwechlungsreich ineinander verschlingen: die erste Single von 1979, "The Prince", die Huldigung an ihr frühestes Vorbild, den jamaikanischen Ska-Musiker Prince Buster, und die ganz neuen Songs vom erstaunlich frischen, gerade erschienen neunten Album "The Liberty Of Norton Folgate". Reggae, Soul, Pop, englischer "Working-Class-Spirit" mit Cockney-Akkzent und Melodien, die immer ein bisschen nach den 60er Jahren klingen. Nach den guten, alten Kinks, an die auch die Sozialkommentare der Texte erinnern, die melancholische Sympathie für die einfachen Leute und wehmütige Erinnerungen an frühere Zeiten.

Schöner zweistimmiger Gesang von Graham "Suggs" McPherson und Carl Smyth, strahlende Bläser, makellose Band. Zwischendrin auch mal ein bisschen routiniert abgewichst britisches Entertainment à la Music-Hall, Workingmen's Club, Ferienbadeort-Unterhaltung für die ganze Familie: "How are you over there?" – Arme hoch: "Great!" Alle amüsieren sich prächtig. Ganz besonders gegen Ende mit den Hits: "House Of Fun", "Wings Of A Dove", "Baggy Trousers", "Our House", "It Must Be Love". Große Tanzsause.

H.P. Daniels

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