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Konzert Mika

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Konzertkritik: Mika: Storch am Konzertflügel

Der britische Teenieschwarm Mika begeistert in der Passionskirche mit abgespeckten Unplugged-Versionen seiner Hits und neuen Songs.

Die Gemeinde ist anfangs noch etwas dünn bei Stimme. Wie viele dort gastierende Musiker begeistert sich Mika an der feierlichen Atmosphäre der Passionskirche und fordert das Publikum immer wieder zum Mitsingen auf, während er mit großer Geste auf den Konzertflügel einhämmert. Doch seine in der Mehrzahl weiblichen und jugendlichen Fans scheinen erstmal die Tatsache verdauen zu müssen, ihrem Idol so nahe zu sein: Der Auftritt ist ein Unplugged-Probelauf anlässlich der Veröffentlichung der neuen „Songs for Sorrow“-EP, ehe im Herbst die reguläre Tournee durch größere Hallen folgen wird.

Der 25-jährige Londoner libanesischer Herkunft wirkt ein bisschen wie eine Storchenausgabe des norwegischen Eurovisions-Siegers Alexander Rybak: ein gnadenloser Gute-Laune-Charmeur, der seine langen Beine kaum unter seinen Konzertflügel zu kriegen scheint. Sein exaltierter, angeblich klassisch geschulter Gesang hat vor zwei Jahren die Frage aufgeworfen, ob dies nun die aufregendste Popstimme seit Freddie Mercury oder aufgeblasene Effekthascherei sei. Zumindest das Publikum hat sie eindeutig beantwortet: Sein Debütalbum „Life in Cartoon Motion“ verkaufte sich rund fünf Millionen mal, Mika avancierte zum ernsthaften Kandidaten für die Nachfolge des abgetauchten Robbie Williams.

Mit seiner kompakten Vier-Personen-Tourband muss er den kalorienreichen Operetten-Pop zwangsläufig abspecken, was einigen der Songs durchaus zum Vorteil gereicht: Wirkt sein Superhit „Grace Kelly“ aufgrund verschiedener Taktauffassungen zwischen Bassist und Schlagzeugerin noch etwas verstolpert, so offenbaren „Stuck in the Middle“ oder „Billy Brown“ in entschlackter Form fast noch mehr Hitpotenzial als die bekannten Studioversionen.

Und spätestens bei Mikas laszivem Geräkel auf dem Flügel hält es keinen mehr auf den Sitzbänken. Jeder Kiekser wird jetzt ekstatisch bejubelt, jeder Refrain aus hunderten Kehlen mitgesungen. Sein langgezogenes Falsett in der Feuerzeugballade „Happy Ending“ löst spitze Entzückensschreie aus. Nach einer guten Stunde und dem scheppernden Rock-Finale von „Lollipop“ verhindert wohl nur der Restrespekt vor der Würde des Kirchenraums eine Bühnenerstürmung. Doch Mika weiß, was er seinem Publikum schuldig ist: Ganz allein kommt er nochmals zurück und glänzt mit einer hingebungsvoll gesungenen Piano-Interpretation von „Grace Kelly“.

Queen-Gitarrist Brian May ist sowieso Mika-Fan. Doch man kann davon ausgehen, dass auch Freddie Mercury stolz auf ihn wäre.

Jörg W, er

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