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Konzertkritik: Pavement: Comeback der letzten Indierocker

Elf Jahre nach ihrer Auflösung haben Pavement wieder zusammengefunden, und nichts scheint sich geändert zu haben. Bei ihrem Auftritt in der Columbiahalle besinnen sich die Indie-Rocker auf die musikalischen Werte der Neunziger.

Von Jörg Wunder

Hätte einen ja auch gewundert, wenn beim Comeback plötzlich alles anders wäre: Elf Jahre nach ihrer Auflösung haben Pavement wieder zusammengefunden, und nichts scheint sich geändert zu haben. Die letzten Indierock-Helden der Neunziger, die aus der wehleidigen Emphase des Grunge im sonnigen Kalifornien eine selbstgenügsame Abhängermusik transzendierten, mobilisieren immer noch so viele Anhänger, dass das Konzert vom Astra in die Columbiahalle verlegt wurde. Am übertriebenen Ehrgeiz der Akteure kann es nicht liegen. Ohne sich stilistisch von der Stelle bewegt zu haben, spult das Quintett mit uhrwerkhafter Präzision sein altbekanntes Repertoire ab. Aber was heißt schon Präzision: Gerade die packende Verbindung von Unschärfe und Struktur macht den Reiz ihrer Songs aus. Hypnotische Melodien, gesungen mit dem Ennui bekiffter Surferboys, umkränzt von verdaddelten Lärmgitarrensoli, zerrüttet von Schlagzeug-Breaks, aufgekratzt von analogem Synthie-Gefiepe. Das Rohmaterial für großartige Stücke wie „Cut Your Hair“, „Range Life“ oder „Rattled By The Rush“, die den Test der Zeit mühelos bestanden haben.

Stephen Malkmus und Scott Kannberg sind so etwas wie das Yin und Yang der Gitarristentemperamente: Während Kannberg als rechtschaffen gealterter Fortysomething sein Instrument mit der Gemütsruhe eines winterschlafenden Grizzlybären bedient, wirkt der gleichaltrige Malkmus nicht nur zehn Jahre jünger, er scheint auch mit inneren Dämonen zu ringen. Als zugleich energetische und stoische Slacker-Interpretation des klassischen Axeman spielt er die E-Gitarre hinterm Kopf und zwischen den Beinen, lässt sie um Schultern und Hüften kreisen, schüttelt, schleudert, würgt sie oder rammt eine der rund um die Band aufgebauten Lichtsäulen zu Boden. Seine vulkanischen Soloeruptionen bewegen die mitgealterten Fans zur Bildung eines friedfertigen Moshpits – hier braucht keiner Angst vor grobmotorischen Kids zu haben. Und für Gerempel sorgt der Chef schon selbst. Mitten in der schönsten Zugaben-Feedbackorgie springt er, Gitarre voran und eine kleine Schneise der Verwüstung hinterlassend, durch das Drumkit von Steve West. Die verdatterten Kollegen nehmen’s gelassen. Man kennt das ja noch von früher.

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