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Konzertkritik: Rain Machine im Roten Salon

Kühn: Kyp Malone und seine fünfköpfige, bunt zusammengewürfelte Band strengen einen Hindernislauf durch die entlegensten Bereiche der Rockgeschichte an.

Von Jörg Wunder

"Das mit der Referenz hat nicht geklappt", meint der konsternierte Veranstalter vor dem Konzert von Rain Machine, das wegen des schleppenden Vorverkaufs von der Volksbühne in den kleineren Roten Salon verlegt wurde. Und nicht mal der ist richtig voll. Dabei ist Rain Machine immerhin das Soloprojekt von Kyp Malone, der sonst als Gitarrist bei TV On The Radio seine Brötchen verdient, einer der aufregendsten und angesagtesten Brooklyn-Bands der letzten Jahre.

Die schwer zu durchschauenden Schwarmbewegungen des Berliner Konzertpublikums scheinen Malone jedoch nicht groß zu tangieren. Mit metastasierendem Afro, grauschwarzem Rauschebart und riesiger Pilotenbrille strahlt er zwar die Undurchdringlichkeit eines Medizinmannes aus, gibt sich aber bei seinen gut gelaunten Ansagen überraschend leutselig. Seine fünfköpfige, bunt zusammengewürfelte Band, inklusive Cellistin und der unter äußerster Körperspannung stehenden Gitarristin Carmen Piteo, trägt ihn gleich mal durch einen brachialen Zehnminüter: "Desparate Bitch" fegt jeden Gedanken an TV On the Radio beiseite, denn deren Soul-Wave-Artrock ist Mainstream gegen diesen Irrsinn. Ausgangspunkt könnte ein relativ harmloser Sixties-Gospelfolk gewesen sein, der sich unter wilden Zuckungen in ein bösartiges Voodoo-Stammesritual-Heavy-Rock-Monster verwandelt. Dabei laufen alle Kraftlinien in Kyp Malone zusammen, der wie ein Fels in dieser hin- und herwogenden Brandung steht.

Seine von allen Konventionen befreite Stimme jodelt, falsettiert, croont, dazu spinnenfingert er die unglaublichsten Gitarrenläufe zusammen. Ab und zu übertreibt er es ein wenig mit seinen Gesangsmanierismen, etwa beim Solostück "Hold you holy". Doch wenn Rain Machine im finalen "Winter Song" eine geschlagene Viertelstunde lang einen Hindernislauf durch die entlegensten Bereiche der Rockgeschichte anstrengen und das Ganze dennoch zu einer verqueren Art von "Hit" zusammengeht, möchte man sich verneigen vor der Kühnheit dieses Mannes.

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