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Mad House, Mad Max. Rihanna vor einem ihrer Bühnenaccessoires. Foto: Marius Becker/dpa

© dpa

Konzertkritik: Rihanna: Der rosarote Panzer

Gutes Mädchen, böses Mädchen: Rihanna spielt Pop-Theater in der O2-World und verschwindet immer wieder in dem Bühnenzauber um sie herum.

Als die R&B-Sängerin Rihanna vor einem Jahr von ihrem Freund Chris Brown auf dem Rückweg von einer Party brutal zusammengeschlagen wurde, muss ihr Management diesen Angriff – bei allem Mitgefühl – wie ein Geschenk des Himmels empfunden haben. Drei Alben hatte Rihanna bis dato eingespielt, nachdem sie als 16-Jährige in ihrer Heimat Barbados von Talent-Scouts des Hip-Hop-Großmoguls Jay-Z entdeckt worden war, drei sehr erfolgreiche dazu.

Doch es fehlte ein Image. Rihanna war das Popsternchen ohne Eigenschaften, ein hübscher, talentierter Beyoncé-Klon von Jay-Zs Gnaden. Da half es auch nicht, dass ihr drittes Album „Good Girl Gone Bad“ betitelt wurde und ansatzweise das typische Adoleszenz-Drama eines noch minderjährigen Stars erzählte: Unterm Strich stand ihr größter Hit, „Umbrella“, und die Frage, wen sie denn wohl mit unter ihren Regenschirm lassen würde. Dann aber kam Chris Brown. Und es folgte mit „Rated R“ ein Album, auf dem sich die inzwischen 22-jährige Rihanna mit ihrem schlägernden Ex-Freund auseinandersetzte, als geschundene, angriffslustige, nach Rache dürstende Powerfrau in Latex- und Leder-Outfit, die weiß: „I may be dumb, but I’m not stupid in love.“

Das Leben hatte Rihanna erstmals schwere Wunden geschlagen, sie hatte eine Geschichte bekommen. Genau diese Geschichte versuchen sie und ihre Choreografen nun auf der „Rated R“-Tour durch Europa zu erzählen: Als Mädchen, auf dessen schwarzem Kleid zahlreiche LED-Lämpchen rubinrot leuchten, kommt sie auf die Bühne der mit 6000 Menschen gerade mal halb gefüllten O2-Arena und singt „Russian Roulette“. Nach diesem Stück ist nichts mehr wie zuvor. Ein Herz auf der Leinwand hinter ihr wird zerquetscht, und Rihanna verschwindet noch einmal kurz, um als „Last girl on earth“ zurückzukehren, als Amazone in einem rosafarbenen Glitzerbody, mit einem Gewehr in der Hand und ein paar tanzenden Kämpfern zur Seite. Auf einmal leuchtet hier ein rosaroter Panzer vor der Bühne, steht dort ein ausgebeulter Jeep. Die Tänzer tragen schwarze Helme und rosa leuchtende Maschinenpistolen, und Rihanna setzt sich entweder hinter das Rohr des Panzers oder versammelt sich mit ihren Tänzern um den Jeep und ballert in der Luft herum.

All das schaut man sich gern an. All das erinnert an Tina Turner in „Mad Max“, zur Not auch an die Superhexen aus Russ-Meyer-Filmen. Und doch fragt man sich: Was soll das Ganze? Denn im folgenden wartet Rihanna mit mehreren Kostümwechseln auf, die man sich ebenso gern gefallen lässt, die aber den Erzählfaden des „Last girl on earth“ und vor allem auch den des vom Leben gezeichneten, von nun an komplett selbstbestimmten R&B-Stars immer mehr verlieren. Rihanna singt zwar in schwarzem Latex-Domina-Outfit ihr „Rockstar 101“ und posiert dazu mit einer Gitarre, ohne diese zu spielen (die Leinwände rechts und links der Bühne zeigen da lieber den Lead-Gitarristen ihrer Band). Doch dann sitzt sie plötzlich vor dem rosa Panzer und ihr Lead-Gitarrist stimmt die ersten Akkorde von Oasis’ Hymne „Wonderwall“ auf einer akustischen Gitarre an.

Rihanna ruft „Berlin, Berlin!“, warum auch immer, und trällert dann „Wonderwall“, warum auch immer, um alsbald Stücke wie „Hate That I Love You“ oder ihren Tanzbodenfeger „Don’t Stop The Music“ folgen zu lassen und sich in einem weißen Outfit zu zeigen. Immer wieder scheint es jedoch, als verschwinde sie in dem Bühnenzauber um sie herum. Rihanna, das zeigt diese bunte, überladende Show, ist trotz der Prügelattacke ihres Ex-Freundes weiter auf der Suche nach einer Bühnenidentität. Sie ist weder Sex-Luder noch Amazone, sie ist mit ihrer aggressiven Kurzhaarfrisur mit Seitenscheitel auch nicht mehr das brave Mädchen von nebenan.

Erschwert wird diese Identitätssuche durch einen durchwachsenen, mitunter üblen Rocksound, der dem Großteil ihrer Stücke verpasst wurde. Das erinnert alles eher an eine schlechte Pink als an eine souveräne, stilsichere R&B-Sängerin, die in den Gefilden des Rock-Establishments wildert. Zumal Rihanna nur selten in ruhigeren, klassischen R&B-Stücken wie etwa dem wunderbaren „Rehab“ zeigen kann, dass sie tatsächlich nicht nur eine talentierte, sondern gute Sängerin ist.

Nach anderthalb Stunden zum Teil sehr unsinnigem, schön quatschigem Poptheater (etwa zwei auf die Bühne sinkenden, riesengroßen Maschinenpistolen, auf denen Tänzerinnen Turnübungen machen) gibt sie ihre letzte Zugabe: „Umbrella“, ihren alten Überhit, an den keines der neuen Stücke heranreicht. Dazu trägt Rihanna kecke weiß-schwarze Schaumstoff-Schulterpolster und ist endgültig die Alte. Bloß welche?

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