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Ryan Bingham & The Dead Horses.

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Konzertkritik: Ryan Bingham & The Dead Horses im Frannz

Seit über neun Monaten schon ist Ryan Bingham mit seinen Songs und seinen Dead Horses unterwegs. Das zehrt an den Kräften. Doch im Konzert ist nichts davon zu merken.

Nach der Gigantomanie und der kühlen Entrücktheit von Roger Waters' Show "The Wall" in der sterilen O2 World am Vortag hatte man Sehnsucht bekommen. Ein starkes Verlangen nach einem echten Konzert, nach wahrer Rock 'n' Roll-Hitze in einem kleinen Club, wo es noch Nähe gibt, eine Verbindung zwischen Publikum und Musikern, wo man noch berührt wird von echtem Gefühl und wahrhaftigen Songs.

Das alles bekommt man im Frannz von Ryan Bingham & The Dead Horses. Der kleine 30-jährige Texaner mit sanftem Bart ist ein dünnes Hemd, das weht und flattert im fetten Sound seiner exotischen Kay-"Old Kraftsman"-E-Gitarre und seiner treuen Weggefährten: "The Dead Horses". Elijah Ford am knurrigen Jack-Casady-Semi-Acoustic Bass und der stur vor sich hinpaffende Drummer Matthew Smith bilden eine starke rhythmische Grundlage, bereiten den festen Boden für Binghams feine Songs, in denen alles drinsteckt an amerikanischer Wurzeligkeit: Blues, Rock 'n' Roll, Folk, Country, Soul. Herz und Seele, Zerbrechlichkeit und Stärke, Melancholie und Glückseligkeit. Und über all der ruppigen Instrumentierung blüht Binghams gefühlvoll dosierter Gesang, eine krächzige Stimme für die Menschen mit all ih-ren Schwächen und für das Leben mit all seinen Unbilden: "Working For A Dollar A Day", "Depression", "Southside Of Heaven", "Hard Times", "Yesterday's Blues" sind Titel, die für sich sprechen. Aber da sind auch immer wieder Trost und "Sunshine". Erlesene Songs aus den fabelhaften Alben "Mescalito" (2007), "Roadhouse Sun" (2009) und "Junky Star" (2010).

Eben waren da noch die harten London-Calling-Stakkato-Gitarren von "The Other Side", mit scharfen Ecken und Kanten, da hat sich Bingham zur Abwechslung schon die Gibson J-45 Akustikgitarre geschnappt und schrubbelt sie mit Country-Touch zu "Dylan's Hard Rain" – nein, das ist nicht der Song von Bob Dylan, sondern ein weiteres treffliches Lied von Ryan Bingham: "Is everybody so afraid, Mr. Dylan's hard rain was fair warning" krächzt er da, und ganz in der Tradition des frühen Dylan: "I'm a homeless man with my thumb in the wind, I sure miss my kin but then again, I'm on the road with a song for you."

Seit über neun Monaten schon ist Ryan Bingham mit seinen Songs und seinen Dead Horses unterwegs, auf die harte Tour, hin und her zwischen Amerika und Europa. Das zehrt an den Kräften. Doch im Konzert ist nichts davon zu merken. Ungebrochen ist die Energie des talentierten Singer/Songwriters und genau so mitreißend wie beim berauschenden letzten Berliner Auftritt im November vergangene Jahres. Mit dem einzigen Unterschied, dass der hervorragende Gitarrist Corby Schaub diesmal nicht dabei ist, was die zusätzlichen Klangfarbtupfer von Mandoline und Pedal Steel vermissen lässt. An der elektrischen Gitarre allerdings wird er durchaus würdig vertreten vom jungen Austra-lier Liam Garner, der als Singer/Songwriter schon mit ei-nem bemerkenswerten Vorprogramm überzeugte. Da noch mit weicher Akustikgitarre, jetzt mit schwer angezerrter elektrischer Les-Paul-Junior. Manchmal in kreischend rohem Parallelsolo mit Binghams wüster Slide-Gitarre. Gegenseitig stacheln sie sich an, tänzeln mit den Tönen, wippen im Bo-Diddley-Beat, rocken schwer.

Und am Ende ist eine große Sehnsucht gestillt. Denn wie viel schöner ist ein Konzert mit Ryan Bingham & The Dead Horses im kleinen Club als alle megalomanischen Großarenen-Events.

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