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Litten wohl noch unter dem Jet Lag: Das Trio Sebadoh aus Massachusetts.

© promo

Konzertkritik: Sebadoh im Festsaal Kreuzberg

Es gibt kein schönes deutsches Wort für "Jet Lag". Eben dieser könnte der Grund sein, dass das musikalisch ohnehin schon immer merkwürdig zersplitterte Trio ausschließlich elektrisch lärmend spielte.

Verzückt zucken die Fans unterm krachenden Lärmgewitter des donnernden Trios Sebadoh aus Massachusetts, baden im schlammigen Klangmatsch, amüsieren sich prächtig, während die Hitze im Gedränge steigt. Dem neutraleren Beobachter allerdings rauben mehr die dichten Nikotinschwaden den Atem, die aus dem Publikum aufsteigen, als die zerrissenen, schmutzig düsteren Sound-Wolken, die von der Bühne fetzen.

Sebadoh waren musikalisch schon immer eine merkwürdig zersplitterte Truppe, die seit ihrer Gründung vor 25 Jahren ständig hin- und herpendelte zwischen den gegensätzlichen musikalischen Polen ihrer Mitglieder, zwischen leichter akustischer Folkmelodik und schwerem elektrischem Lärm.

Im Festsaal Kreuzberg spielen sie ausschließlich elektrisch lärmend. Und derart schief, dass man diese Musik für außerordentlich avantgardistisch und beabsichtigt schräg halten könnte. Oder aber auch für extrem verstimmt, unabsichtlich falsch und neben den Tönen.

Lou Barlow sägt etwas holperig auf einer schwarzen Gretsch-Solidbody-Gitarre und singt seine Songs immer schwer lavierend am steilen Abgrund der Intonation. 1986 hat er als ehemaliger Bassist von Dinausaur Jr. seine eigene Gruppe Sebadoh gegründet, nachdem er sich mit dem Dinosaur Jr.-Kollegen J. Mascis überworfen hatte, weil der Barlows Songs nicht zum Zuge kommen lassen wollte. Etliche Alben von Sebadoh sind erschienen seitdem. Anlässlich der Wiederveröffentlichungen von "Bakesale (1994) und "Harmacy" (1996) ist die Band jetzt wieder auf Tour.

Jason Loewenstein fuzzt knatternd verzerrte Achtel aus einem Fender-Bass, sehr salopp. Während der neue Drummer Bob D'Amico hechelnd hinter dem Takt herjagt, ihn aber nie zu fassen kriegt. Alles ist irgendwie schlabberig, unpräzise heruntergeprügeltes Gepolter - wenig Ausdruck, wenig Inspiration.

Zwischendrin tauschen Barlow und Loewenstein die Instrumente. Loewenstein kariolt auf einer schwarzen Telecaster-Gitarre und johlt und grölt seine Songs mehr als sie zu singen. Das ist etwas anstrengend auf die Dauer.

Es gebe doch bestimmt ein schönes deutsches Wort für "Jet Lag" fragt Barlowe. Nein, gibt es nicht, aber vielleicht ist das eine Erklärung, warum Sebadoh im Konzert so sehr fahrig und schluderig wirken. Sie litten immer noch sehr unter dem Jet Lag, und gestern hätten sie nachts um halb drei noch in Polen auf der Bühne gestanden.

Ausgeschlafener gewirkt hatte das junge Berliner Vorgruppen-Trio "Unimportant People" mit modernisiert melodischem Merseybeat.

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