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Konzertkritik: Sharon Jones & The Dap-Kings im Huxleys

Es sind nicht die schlechtesten Element und Vorbilder, die da in den Songs von Sharon Jones stecken, doch erreicht sie kaum je deren Intensität. Trotzdem bleibt sie interessanter als jüngere Retro-Soul-Damen wie Joss Stone oder Amy Winehouse.

Schon die Vorgruppe Pax Nicholas & the Ridimtaksi stellt einiges an Personal und Instrumenten auf die Bühne vom Huxleys. Bläsersektion: Trompete, Tenorsaxophon, Bariton-saxophon. Rhythmussektion: Schlagzeuger, Congaspieler, zwei Schüttelpercussionisten, Bassgitarre. Orgel. Gitarre. Und dazwischen wieselt und wuselt ein kleiner kompakter Mann. Er nennt sich Pax Nicholas, stammt aus Ghana, gehörte einmal zur Band des Nigerianers Fela Kuti und lebt seit Jahren in Berlin. Zum dampfenden Sound seiner kompakten schwarz-weißen, afrikanisch-deutsch gemischten Band bongot er exzessiv und gibt den rasanten Shouter mit heiser kräckelnder Stimme, die ein bisschen an Bob Marley erinnert. Eine gute Dreiviertelstunde spielen Pax Nichols & the Ridimtaksi eine mitreißende Mixtur aus Afro-Beat, Soul und Reggae, afrikanischen und karibischen Rhythmen, gestochen scharf. Jede Note, jeder Beat, jeder Abschlag exakt auf dem Punkt. Nicht nur die Bläser sind eine Wucht.

Die Band von Sharon Jones, The Dap-Kings, denen seit ihren Diensten für Amy Winehouse auf deren Erfolgsalbum "Back To Black" der Ruf einer besonders exquisiten zeitgenössischen Soul-Gruppe vorauseilt, kommt auch mit Bläsern, wie die Vorgruppe: Trompete, Tenorsaxophon, Baritonsaxophon. Nur sind die hier irgendwie lahmer. Nicht so präzise, nicht auf den Punkt. Schwammiger, schlabberiger, wie auch der ganze Sound der Band. Schlagzeug klingt nach Zinkeimern. Der Percussionist nach Congas. Rechts wippen lässig synchron ein Gitarrist, eine Bassistin und noch ein Gitarrist. Der macht jetzt auch die Ansage, das übliche Vorgeplänkel, wie bei einer Soul-Revue vor 50 Jahren. Nur nicht so aufregend. Auch das musikalische Intro nicht. Der Gitarrist ist kein besonderer Sänger, die Tonart zu hoch für ihn. Aber er singt noch einen Song und die Bläser bleiben schlabberig, das Zusammenspiel unkoordiniert. Im Auditorium tost und brodelt es, denn: "Now ladies and gentlemen ... here is the queen of funk and soul: Sharon Joooones.!"

Auch sie ist klein und kompakt und ziemlich wild. "I've been loving you ..." fängt sie an zu singen, aber es geht nicht weiter mit: "...too long, I can't stop now", nein, es geht irgendwie anders weiter, denn es ist nicht der Song des bei einem Flugzeugabsturz 1967 umgekommenen, großen Soul-Sängers Otis Redding, sondern ein eigener. Schade, der Song von Redding wäre der bessere gewesen. So geht es einem noch oft an diesem Abend: wenn etwas zunächst so klingt, wie etwas, das es dann aber doch nicht ist. Wenn man kurz "Shout!" von den Isley Brothers zu hören vermeint oder Sam Browns "Stop", das Riff von Smokey Robinsons "You Really Got A Hold On Me" oder den Anfang des von Etta James 1969 aufgenommene "I'd Rather Go Blind". Die Harmonien von Peter Greens "Black Magic Woman". Oder den Groove von James Browns "Sex Machine".

Es sind nicht die schlechtesten Element und Vorbilder, die da in den Songs von Sharon Jones stecken, doch erreicht sie kaum je deren Intensität. Vielleicht liegt es auch daran, dass ihre Dap-Kings heute etwas hüftlahm daherkommen, vielleicht auch daran, dass deren Bassist und musikalischer Leiter Gabriel Roth alias Bosco Mann heute nicht dabei ist. Ganz abgesehen davon, dass Soul ohne Hammond-Orgel ohnehin etwas Seele verloren geht.

In ihrer Kindheit hat die heute 54-jährige Sängerin aus Georgia, die heute in New York lebt, mit ihrem Bruder immer wieder den Gesangs- und Tanzstil von James Brown imitiert. Davon hat sie auch heute noch viel: wenn sie zum klapperigen Gefunke ihrer Dap-Kings ekstatisch Beine, Knie, Hüften, Becken, Oberkörper, kopfschüttelnd über die Bühne rüttelt, immer wieder kräftige, abgehackte "Ah"s und "Oh"s ausstößt oder ein dramatisches "Wait a minute" einwirft und hohe Kreischer, dann wird es mehr als deutlich, wo sie ihre frühen Lektionen gelernt hat. Allerdings auch im Gospelchor der Kirche.

Der gospelige Song "Mama Don't Like My Man" ist dann auch das gelungenste Stück des Abends. Ohne Band, nur vom Gitarristen und den beiden Backgroundsängerinnen begleitet, mit einem über eine repetitive Harmoniefolge gesprochenen Intro, einem witzigen gespielten Zwiegespräch zwischen Mutter und Tochter und dann einer feinen Melodie, die an den großen Sam Cooke erinnert. Wieviel intensiver wirkt der Gesang zu dieser sparsamen Instrumentierung.

Mit der zurückgekehrten Band würdigt Sharon Jones in einer langen Ansprache den brillanten, am 10. Oktober gestorbenen Solomone Burke. In dessen "Everybody Needs Somebody To Love" lodert dann tatsächlich etwas Soul-Feuer und das Konzert nimmt ein wenig an Fahrt auf. Der Unterschied zum exzellenten Solomon allerdings ist, dass der immer in der Lage war seine Band an den richtigen Stellen zu zügeln, indem er sie mit einem besänftigenden "Easy, easy!" zur Zurückhaltung mahnte und so die feine Dynamik erzeugte, die seinen Konzerten so viel tiefes Gefühl und Ausdruck verlieh.

Zwar klingt Sharon Jones interessanter als jüngere Retro-Soul-Damen wie Joss Stone oder Amy Winehouse, in Ausdruck, Timbre und Tiefe reicht sie jedoch auch nicht heran an die Vorbilder Aretha Franklin, Tina Turner oder Etta James. Dennoch waren es neunzig unterhaltsame Minuten mit netter Tanzmusik. Eine gewaltige Mission hätte Sharon Jones allemal erfüllt, würde sie all jene, die ihr so enthusiastisch zujubeln und sie für das Nonplusultra der Soulmusik halten, mit ihrem Auftritt dazu zu bewegen, sich für die Wurzeln des Genres und deren Protagonisten zu interessieren: Ray Charles, Sam Cooke, Otis Redding. Und natürlich Solomon Burke.

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