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Konzertkritik: Show Of Hands in der Petruskirche

Jubel zum Empfang von "Show Of Hands". In England ist das mehrfach mit Preisen ausgezeichnete Folk-Duo aus Exeter populär genug, regelmäßig größere Säle zu füllen, sogar die Londoner Royal Albert Hall. In Deutschland sind sie eher noch unbekannt, auch in Berlin. Das dürfte sich ändern.

In Lichterfelde sind die britischen "Acoustic Roots"-Musiker jetzt schon ganz groß. Etwas steif stehen sie da vorne auf der Bühne der Petruskirche, sehr folky: ernst und sendungsbewusst. Die Atmosphäre erinnert ein wenig an das "Festival des politischen Liedes" im ehemaligen Ost-Berlin: weihevoll und aufgeladen mit Pathos.

"Girl Of The North Country", Bob Dylans Adaption der alten englischen Ballade "Scarborough Fair", setzt den Ton für die kommenden zwei Stunden. Für ein Programm, das munter oszilliert zwischen traditionellen Folksongs und den zeitgenössischen Eigenkompositionen des 55-jährigen Steve Knightley. Der Singer/Songwriter der Show Of Hands steht im Zentrum der Bühne, mit schulterlangen Haaren, goldenem Ohrring, Jeans und Stiefeln. "Boots of Spanish Leather" seien das, sagt er grinsend, und die Fans lachen wissend. Sie sind alle alt genug.

Den Dylan-Song hätten sie schon gespielt als sie beide noch Teenager waren, erzählt Knightley: da war er fünfzehn und sein Mitstreiter Phil Beer sechzehn. Und Miranda Sykes sei da noch nicht mal geboren gewesen. Heute verstärkt die junge Frau das Duo nicht nur als versierte Kontrabassistin und feine Sängerin, sondern auch optisch. Mit roten Stachelhaaren, von denen die Vizepräsidentin des Bundestages Petra Pau sich noch etwas abgucken könnte.

Knallvoll ist es in der Petruskirche am Oberhofer Platz, alle Plätze besetzt - ausverkauft. Erstaunlich, was für Konzerte sich gelegentlich völlig abseits des etablierten Berliner Kulturbetriebes abspielen, weit ab von den üblichen, angesagten Spielstätten, und ganz ohne Ankündigungen in den einschlägigen Programmzeitungen. Hier läuft alles über Mundpropaganda. Und es scheint zu funktionieren. Hier sind die Show Of Hands schon große Stars, während man in Rest-Berlin noch nichts davon weiß.

Knightley freut sich, dass diesmal noch mehr Leute gekommen sind als beim letzten Mal, und dass er es immer wieder schafft, fast die ganze Kirche zum rührenden gemeinsamen Singen zu bewegen. Überhaupt etwas zu bewegen, mit seinen "topical folk songs": Über Liebe und Krieg, Soldaten, Bergarbeiter und Seeleute, das Aussterben kleiner Dörfer, Arbeitslosigkeit, Landflucht und die Armut kleiner Leute in Devon und Cornwall. Aktuelle Protest-Lieder in guter alter Folk-Tradition. Songs, die gelegentlich an Billy Bragg erinnern. Politische Lieder und Song-Storys um private Sorgen. Wahre Geschichten, Lieder über das Leben. Melodisch melancholisch, doch zwischendrin blitzen immer wieder fröhliche Tanzweisen hervor. "Arrogance Ignorance And Greed", der Titelsong vom jüngsten Album, besingt den Zorn auf Überheblichkeit, Skrupellosigkeit und die grenzenlose Gier gegenwärtiger Bank-Manager. Und immer wieder strahlt der wunderbare betörende, dreistimmige Satzgesang der drei Akteure, der an Crosby, Stills und Nash denken lässt, die auch einmal kurz zitiert werden: "Find the cost of freedom".

Phil Beer, eine massige Type im langen schwarzen Mantel, mit schulterlangen, weißblonden Haaren und eisgrauem Bart, klemmt die Geige unters Doppelkinn und fiddelt rasante keltische Jiigs und Reels. Auf der Akustikgitarre spielt er geschmackvolle Fills und Soli mit einer interessanten Technik aus abwechselnd gefingerten Tönen und Bottleneck-Rutschern. Oder er begleitet mit ungewöhnlichem Fingerpicking auf einer Ukulele, sowie schnellen Läufen und Akkorden auf der Mandoline.

Die vielen auffallend schönen Zupfinstrumente, auch Knightleys Gitarren und Mandocellos, stammen aus der kleinen Werkstatt des Instrumentenbauers David Oddy aus ihrer gemeinsamen Heimatstadt Exeter. Während der Zugabe spielt Knightley eine viersaitige Tenor-Gitarre. Ganz ruhig, unverstärkt und volksnah, zwischen dem Publikum vor der Bühne, singt er: "You stay here while I go and look for work…"

Wenn sie zurückkehren, werden sicher noch mehr Leute kommen, und die Kirche wird vermutlich zu klein sein.

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