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Vier aus der Zukunft. Die Black Eyed Peas in der O2-World.

© DAVIDS

Konzertkritik: Sie machen's: die Black Eyed Peas in Berlin

Das Nachtleben ist aufregend. Und die Sorgen des Tages sind plötzlich zweitrangig. Große Mädchen weinen nicht. Und große Jungs wollen nur spielen: die Black Eyed Peas in Berlin.

Die große Stärke von Pop ist es, in aller Kürze und Prägnanz die wichtigen Dinge des Lebens benennen zu können. Wer also nur ein einziges Mal den grandiosen Black-Eyed-Peas-Hit „I Got A Feeling“ gehört hat, Zeilen wie „Tonight’s the night, let’s live it up, I got my money, let’s spend it up“ oder „Let’s do it and do it and do it and live it up and do it, do it“, der weiß, dass die Nacht nur gut werden kann. Dass das Nachtleben aufregend ist, dass die Sorgen des Tages plötzlich zweitrangig sind. So ist es dann auch fast eine Erlösung, als die Black Eyed Peas zum Abschluss ihres Auftritts in der O2-Arena ihr „I Got A Feeling“ anstimmen. 10 000 Menschen sind selig, lassen sich für fünf Minuten komplett beglücken und mit Konfetti berieseln. Und tun es: Party machen, alles andere vergessen, diese Nacht zu einer guten werden lassen.

Wie schwer es ist, einen so energiegeladenen, von Grund auf positiven, auf Seele und Tanzbein zielenden und von einfachsten Beats getragenen Partyknüller zu schreiben, Tracks wie diesen am Fließband zu produzieren, beweist jedoch der Rest diesen einzigen Deutschlandkonzerts der Black Eyed Peas. An „I Got A feeling“ kommt keines der anderen Stücke heran: nicht die ebenfalls vom letzten Album „The E.N.D.“ ausgekoppelten, in aller Welt rauf und runterlaufenden Hits wie „Imma Be“, „Meet Me Halfway“ und „Boom Boom Pow“, und nicht die älteren wie „Shut Up“ oder „Pump It“, mit denen sich die Black Eyed Peas schon lange vor „The E.N.D.“ von einer soliden Alternative-Hip-Hop-Band zu Hitlieferanten für den globalisierten Pop-Mainstream verwandelt hatten.

All diese Stücke funktionieren zudem viel besser beim Hören zuhause oder im Club als bei dieser bombastischen, völlig sinnentleerten Show, die Will.I.Am, der Mastermind der Band, seine männlichen Mitstreiter Apl.De.Ap und Taboo sowie die Sängerin Stacey Ferguson, genannt Fergie, da performen. Ihre Kostüme sollen in irgendeine technoide Zukunft weisen und sie als wackere Kämpfer aus einer anderen Welt darstellen – warum aber, erschließt sich nicht und schon gar nicht durch Refrains wie „Boom Boom Pow“ oder „Rock That Body“. Zu ihnen gesellen sich bei manchen Stücken ein paar Tänzer in farbenfrohen oder silbernen Ganzkörperanzügen. Und hin und wieder kommt einer der Musiker von einer Bühne herunter, die im Dunkel über der eigentlichen Bühne thront und die Liveband beherbergt, um Will.I.Am. und Co. bei einem ihrer Solostücke zu begleiten. Diese Soloeinlagen gehören zu den Höhepunkten der Show: Apl.De.Ap, der eine gekonnten Breakdance aufs Parkett legt; Taboo, der warum auch immer auf einem Motorrad durchs weite Rund fährt, knapp über den Köpfen des Publikums; Fergie, die mit ihrer prachtvollen Kieksstimme und zusammen mit dem Publikum „Big Girls Don’t Cry“ singt. Und nicht zu vergessen Will.I.Am, der einen DJ-Set spielt und darin Michael Jackson und die Eurythmics (80er-Jahre!) genauso unterbringt wie Blur und Kings Of Leon. (Rock!) Will.I.Am kennt keine Berührungsängste. Die reine Lehre des Hip-Hop hat er schon für einen Witz gehalten, als er mit den Black Eyed Peas noch Hip-Hop-Alben eingespielt hat. Inzwischen schlägt er den Kommerz-Pop lieber mit dessen eigenen Waffen und versetzt ihn mit Klangsplittern, die ihn als Pop-Connaisseur ausweisen. Feinheiten wie Latin- und Bossa-Nova-Samples oder Dancehall-Reggae-Anklänge haben in der O2-Arena jedoch keine Chance.

Es dominiert das Euro-Dance- und Techno-Geballer – und dieses verdeckt dann auch, dass die Black Eyed Peas alles andere als großartige Gesangs- oder Rap-Künstler sind. Doch geht es darum ja auch nicht, sondern um das Gefühl, dass diese Nacht eine gute wird. Die kleine Ansprache, die Will.I.Am an das Publikum richtet, ist vor diesem Hintergrund völlig überflüssig. Er bedankt sich für Treue und Zuneigung, stellt die Liebe zur Musik über alles, und erzählt, dass es die Black Eyed Peas seit 1995 gibt und sie vom Underground in den Mainstream und wieder zurück gelangt sind. Wie er das wohl meint? Ganz schlau wird man aus ihm sowieso nie. Man denke an sein musikalisch schönes, fluffiges Soloalbum mit den „Songs about girls“. Darauf besang Will.I. Am die Flygirls, bewunderte ihre Körper (die sie natürlich von ihren Mamas geerbt hatten) und entpuppte sich überhaupt als ziemlicher Sexist.

Ob das alles aber nun reflektiert ist oder nicht, ein lupenreiner Schwachsinn für Arme oder klug konzipiert: Ein goldenes Produzentenhändchen, eins für manchen Track mit dem richtigen, wahrhaftigen Flow, hat Will.I.Am. Siehe auch: „I Got A Feeling“. Und alles wird gut.

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