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Konzertkritik: Steve Earle im Columbiaclub

Steve Earle widmet seine derzeitige Tour dem alten texanischen Weggefährten Townes Van Zandt - und bereitet im Columbiaclub einen traumhaften Abend.

"Townes Van Zandt ist der beste Songschreiber der Welt", sagte Steve Earle 1995. Und dass er sich mit seinen Cowboystiefeln auf Bob Dylans Kaffeetisch stellen würde, um das zu verkünden. Dylan würde vermutlich grinsen darüber und knurren: "Okay, Steve, komm da mal wieder runter und lass uns zusammen Pancho & Lefty spielen!" Den wohl bekanntesten Song des 1997 gestorbenen Van Zandt singt Dylan gelegentlich während seiner Tourneen.

Steve Earle singt jetzt seine eigene leidenschaftliche Version im Columbiaclub. Townes war sein Freund und Lehrmeister, erzählt er in einer langen poetischen Geschichte, einem gesprochenen Lied vor dem Hintergrund einer melodischen Fingperpicking-Gitarrenfigur. Und wie er 1972 als schüchterner Siebzehnjähriger sein elf Jahre älteres Vorbild kennengelernt hat, sowie von etlichen gemeinsamen Erlebnissen, lustig und melancholisch.

Wie schon sein jüngstes Album "Townes" widmet Earle seine derzeitige Tour dem alten texanischen Weggefährten. Songs, Geschichten, Anekdoten. Wobei er dessen Lieder in ihrer reinsten und schönsten Form interpretiert: nur mit Stimme, Akustikgitarre und einer krähenden Mundharmonika. Ganz alleine steht er da, im karierten Cowboyhemd und mit langem Bart, wie eine Mischung aus Yusuf Islam, Harry Rowohlt und Wildwest-Goldgräber.

"Mr. Mudd and Mr. Gold" tauchen auf, all die schönen Townes-Lieder: "Where I Lead Me", "Colorado Girl", das unheimliche "Lungs" und die todtraurige Klage vom Obdachlosen und seiner schwangeren "Marie", die unter einer Brücke erfriert, bevor ihr Baby auf die Welt kommt. All die ergreifenden kleinen Geschichten über große Schicksale besingt Earle mit anrührender Bröckelstimme und ausdruckstarker Dynamik, so natürlich und schön, als wäre er zum irdischen Medium geworden für den toten Townes.

Dazwischen flicht er die besten seiner eigenen Songs: "Ft. Worth Blues", "My Old Friend The Blues", "Taneytown", "Tom Ames' Prayer", "Goodbye". Und wieder einmal zeigt sich, dass Steve Earle, wenn er solo und nur seine akustischen Gitarren, Bouzouki und Mandoline spielt, so viel mehr bewegt und berührt als mit seinen krachigen Bands. Traumhafter Abend.

H.P. Daniels

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