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Suzanne Vega bei einem Konzert 2007.

© ddp

Konzertkritik: Suzanne Vega in der Passionskirche

Lieder von Liebe und Angst: Es ist eine wunderbare Magie, die Suzanne Vegas Konzerte noch um ein Vielfaches aufregender macht als ihre Platten. So auch diesmal in der Passionskirche.

Kein Schlagzeug auf der Bühne der Passionskirche. Nur eine einsame Akustikgitarre steht da. Kommt Suzanne Vega diesmal ganz alleine? Nein, da steht noch ein zweites Mikrofonstativ. Kommt sie vielleicht mit einem Bassisten wie vor vier Jahren? Nein, diesmal hat die Singer/Songwriterin aus New York einen Gitarristen dabei als einzigen Begleiter und interessanten Gegenpol, musikalisch wie auch optisch. Vega im langen schwarzen Männerjackett und schwarzer Hose, rotbraunen Turnschuhen, tiefroten Lippen, rötlich schimmernden Haaren und mit Taylor-Akustikgitarre. Links daneben der irische Studiogitarrist Gerry Leonard vor einem großen Verstärker - wie ein gealterter Übriggebliebener aus Malcolm McLarens Londoner Punkmodeboutique der 70er: rosa Hose, schüttere weizenblonde Strubbelhaare, schwarze Jacke zwischen Zirkus, Uniform und wilder Fantasie. Und eine weiße PRS Hollowbody Elektrogitarre.

"Marlene On The Wall", der erste Song des Abends war auch die erste Single von Suzanne Vega im Jahr 1985. Inzwischen hat sie das Lied noch einmal neu aufgenommen, für die gerade erschienene zweite Folge eines auf vier Teile angelegten Zyklus von Neuinterpretationen aus dem Fundus der letzten 25 Jahre. Im Februar erschien "Close-Up Vol.1: Love Songs". "Vol.2" befasst sich nun mit "People & Places".

Beide Platten sind neben zwei schwitzenden Wasserflaschen auf einem kleinen Tischchen beim Mikrofonstativ aufgebaut. Vega hält einen kurzen Vortrag über die "Love Songs", und dass dort in den Texten oft ein erheblicher Anteil "Angst" mitschwinge. Sagt's, lächelt und singt so einen "Love/Angst"-Song: "Caramel" vom "Love Album" - mit leichten Bossa-Nova-Einschlag und luftig atmender Altstimme. In "Frank And Ava" geht es um Liebe, Ehe, Zerwürfnis und Scheidung von Frank Sinatra und Ava Gardner. Noch so eine "Love/Angst"-Nummer.

"New York Is A Woman" personifiziert und feminisiert die Stadt, in der die inzwischen 51-jährige Suzanne Vega seit ihrer Kindheit lebt. In ihrer Vorstellung sei New York eine Frau, erklärt sie. Ach, sie müsse auch mal einen Song über Berlin schreiben, und sie bittet das Publikum um ein paar Tipps: "Berlin, Mann oder Frau?" - "Mann!" ruft jemand. "Und wie wäre Berlin sonst so, wenn man sich die Stadt als eine lebende Person vorstellte?" - "Schwarz!" ruft ein anderer. "Schwarz?" Vega lacht, "Okay: Schwarz. Und sonst? Art der Kleidung?" - "Schwarz-Weiß!". In Ordnung, sie werde drüber nachdenken, und vielleicht hätte sie dann bis zu ihrem nächsten Berlin-Besuch schon was ausgearbeitet. Gelächter.

Doch jetzt erstmal "New York Is A Woman". Sehr schön gesungen, und zum ersten Mal an diesem Abend kommt nach einem halben Dutzend Songs diese wunderbare Magie auf, die Vegas Konzerte oft noch um ein Vielfaches aufregender machen als ihre Platten. Und der Gitarrist spielt kleine "Stairway To Heaven"-Zitate dazwischen.

Der Zauber setzt sich fort mit feinem Fingerpicking auf der Akustikgitarre und samtigem Gesang zur hübschen Folkmelodie "Gypsy" vom herausragenden Album "Solitude Standing" aus dem Jahr 1987. Von derselben Platte stammt auch "Ironbound/Fancy Poultry". Vega hat die Gitarre beiseite gestellt, schnippst rhythmisch mit den Fingern, tänzelt verhalten, während der Gitarrist ein feines Solo mit hallendem Schwirreffekt anreichert.

Wenn auch der Klang von Vegas Akustik- und Leonards E-Gitarre oft im gemeinsamen Dröhnen leicht verunglückt, hat Gerry Leonard einige hübsche Sounds und Effekte zu bieten: geschrappter Rhythmus und ein rockendes Riff in eine Wiederholungsschleife geloopt werden zur trefflichen Grundlage für darübergelegte Soli.

"I can hear it ringing in my ear", singt Vega in "Blood Makes Noise", und man hört das Blut rauschen im Kreischen der elektrischen Gitarre unterm E-Bow. "The Man Who Played God" ist ein neuer Song, dessen Text von Suzanne Vega stammt, die Musik von Sparklehorse. Und so widmet Vega den Song auch Mark Linkous, Mastermind von Sparklehorse, der sich im März 47-jährig das Leben genommen hat.

Zum Abschluss erfreut Suzanne Vega die entzückten und treuen Fans noch mit ihren beiden größten Hits, die sie für ihr jüngstes Album auch noch einmal neu bearbeitet hat: "Luka" und eine neue Fassung des ursprünglich a cap-pella aufgenommenen "Tom's Diner", zu dem Gerry Leonard einige feine Ideen und Sounds beisteuert: mit Rhythmus-Loops und schwebenden Orgelklängen aus der Gitarre.

Nach vier Zugaben verabschiedet sich Suzanne Vega von ihrem begeisterten Publikum und hat damit das Ende einer wochenlangen Europatournee erreicht. Obwohl die Songwriterin höchst professionell damit umzugehen weiß, merkte man ihr die Strapazen der letzten Wochen an. Doch sind bei ihr auch durchschnittliche Konzerte immer noch überdurchschnittlich.

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