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Konzertvorschau: B-52s: Schön schräg

Die B-52s haben nach 16 Jahren ein neues Album. Heute Abend spielt die US-Rockband in der Zitadelle Spandau.

„Schräg“ war die Vokabel Ende der Siebziger. Angesagt waren schräge Typen, schräge Klamotten, schräge Musik. Neu und anders sollte alles sein. Neue Wogen, neue Welle. Vage Waghalsigkeit bestimmte einen neuen Stil: kühl und kühn. So waren auch The B-52’s aus Athens, Georgia, USA: ultracool, ultra-schräg. Drei Typen und zwei Frauen in quietschbunten Klamotten, die als Studenten, so geht die Legende, nach einem Gelage im Chinarestaurant beschlossen: Wir machen jetzt einfach mal eine Band. Obwohl keiner von ihnen so richtig ein Instrument spielen konnte. Aber alles war möglich damals, Hauptsache: schräg. Und das waren sie.

Heute Abend treten The B-52s in der Zitadelle Spandau auf. Fast in Originalbesetzung, das Apostroph im Namen haben sie abgeschafft. Und neue Songs gibt es auch. „Funplex“ heißt ihr aktuelles Album, die elf Lieder darauf klingen etwas weniger dünn im Sound, weniger amateurhaft und kantig als früher, aber die Band ist auch kurz vor dem Rentenalter noch beseelt vom Partygeist der alten Zeiten.

Benannt hat sich die Gruppe nach dem amerikanischen Langstreckenbomber Boeing B-52. Ihr Markenzeichen war, dass sich die Frauen mit monströsen Bienenkorbfrisuren, knallblonden Perücken und bonbonfarbenen Kleidern in Giftgrün, Rosarot, Quietschgelb aufdonnerten. Sie hämmerten und sägten auf Percussionsinstrumenten und Kinderorgeln, sangen kreischig, mehr schief als schön, also schräg, während die Männer zu den einfachen Kindermelodien wild klapperten, auf Keyboard, Schlagzeug, twängelnder Surfgitarre, vorwiegend auf einem einzigen, jedoch um so exzessiveren Akkord. Sie bellten Sprechgesang und tanzten kantig wie durchgeknallte Automaten. Ein Stil, der später auch in der „Neuen Deutschen Welle“ eifrige Nachahmer fand.

„Independant“ war das andere Zauberwort neben „schräg“. Es war die schöne Zeit der unabhängigen Selbermacher, der genialen Dilettanten, in denen jeder mal Popstar sein konnte: für fünf Minuten, ein paar Stunden, Helden für einen Tag oder sogar ein ganzes Jahr. Bands kamen, Bands gingen, die B-52’s blieben, hielten durch, bekamen nach ihrer selbst gemachten Single „Rock Lobster“ einen Vertrag mit einer großen Plattenfirma, veröffentlichten in den Achtzigern Album um Album mit kaugummibuntem Kindergeburtstagssound, Single um Single: „Give Me Back My Man“, „Private Idaho“, „Deep Sleep“, „Mesopotamia“, „Party Out Of Bounds“, eine endlose Party außer Rand und Band. Bis Ende 1985 der Gitarrist Ricky Wilson an Aids starb.

Nachdem seine Schwester Cindy Wilson die Band verlassen hatte und die übriggebliebenen B-52’s ihren Sound in den Neunzigern mit kompetenteren Studiomusikern aufgemotzt haben, war der naive „Do it yourself“-Geist der frühen Jahre dahin, doch die Charts-Erfolge währten noch bis 1994, als sie mit der Single „The Flintstones“ für die Zeichentrickserie „Familie Feuerstein“ einen Nummer-Drei-Hit in den Charts landen konnten, ihr größter Erfolg nach der Single „Love Shack“ von 1990. Dann war es erstmal vorbei mit schräg, vorbei mit den B-52’s. Bis jetzt. 

H.P. Daniels

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