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Rock-Recken. Peter Baumann, Torsten Scholz, Arnim Teutoburg-Weiß, Bernd Kurtzke, Thomas Götz sind die Beatsteaks.

© A. Gnaedinger

Neues Album: Beatsteaks - der Sommer kann kommen

Die Beatsteaks haben ihren Sound in über 15 Jahren immer weiter verfeinert, wobei die Entwicklung zu weniger Härte und mehr Pop der Berliner Band gut zu Gesicht steht. Am Freitag erscheint ihr neues Album "Boombox".

Die Single lebt. All die dramatischen Veränderungen, die die Musikindustrie in den letzten Jahren durchgemacht hat, konnten ihr wenig anhaben. Als Vorbote eines neuen Albums ist sie weiterhin enorm wichtig. Wird der erste Song ein Hit, kann er ein ganzes Album mitreißen – siehe Amy Winehouse’ „Rehab“ oder „Geboren um zu leben“ von Unheilig.

Das älteste Format der Pop-Branche ist vor allem deshalb immer noch relevant, weil es einen radikalen Formwandel vollzogen hat. Statt auf Vinyl oder CD kommt die Single jetzt in erster Linie als Download, Stream oder Online-Videoclip in die Welt. Ihr ist der Sprung ins digitale Zeitalter gelungen.

Einen Beweis für die Lebendigkeit der Single haben gerade die Beatsteaks aus Berlin abgeliefert – und das, ohne einen Ton zu veröffentlichen. Sie stellten die Noten und den Text ihres Songs „Milk & Honey“ auf die Band-Website und ließen sie in Musikmagazinen abdrucken. Unter dem Motto „Wer hören will, muss spielen“ riefen sie dazu auf, das Stück aufzunehmen und ihnen zuzuschicken. Mehr als 200 Coverversionen kamen zurück, zwei davon landeten auf einer Single, die auch erstmals die Fassung der Beatsteaks enthielt.

Das Geniale an dieser Aktion war, dass sie einerseits viele witzige Fan-Versionen hervorbrachte (bei YouTube zu sehen) wie zum Beispiel eine Glockenspiel-Schellenkranz-Nummer von Fabi & Paddel. Zum anderen steigerte die Verzögerungstaktik natürlich die Spannung: Wie wird wohl die „richtige“ Version der Beatsteaks klingen? Super. Auch das hatten die Noten und die Cover schon angedeutet. Eine Mitpfeifmelodie, ein federnder Rhythmus – großer Pop.

„Milk & Honey“ kommt zwar nicht ganz heran an den Beatsteaks-Überhit „I Don’t Care As Long As You Sing“ von ihrem Durchbruchsalbum „Smack Smash“ aus dem Jahr 2004. Doch das Stück ist mindestens so stark wie die Single „Jane Became Insane“ von der letzten Platte „Limbo Messiah“. Vier Jahre sind seither vergangen und eine Zeitlang war es nicht sicher, ob es mit dem 1995 in Mitte gegründeten Quintett überhaupt weitergehen würde. Eine Bandpause und eine Selbstfindungsphase brachten die Erkenntnis, dass „wir enden wie die verdammten Rolling Stones: Wir bleiben zusammen, bis wir sterben“, wie Sänger Arnim Teutoburg-Weiß es in einem Interview formulierte.

Weiterzumachen war eine gute Entscheidung. Denn auf „Boombox“, ihrem sechsten Album, zeigen sich die Beatsteaks wendig, knackig und lebendig. Sie erfinden weder sich noch den Rock neu. Eine halbe Stunde richtig gut gemachter Gitarrenmusik ist aber auch schon einiges wert in einer Zeit wie dieser, in der der Indierock so dröge und inspirationslos vor sich hin dümpelt.

Der mächtig losbollernde Album-Opener „Fix It“ erfreut durch eine mit Bottleneck gespielten Leadgitarre, die später in ein alarmistisches Zweiton-Motiv übergeht. Dazu singt Teutoburg-Weiß mit einer Stimme, die mal an Red-Hot-Chili- Peppers-Frontman Anthony Kiedis und mal an Mike Patton zu Faith-No-More-Zeiten erinnert. Auch sonst ist sein ausgesprochen vielseitiger Gesang eine der Hauptattraktionen der Platte.

„Boombox“ wurde wieder von Moses Schneider produziert und größtenteils live eingespielt im extra aufgerüsteten Kreuzberger Probenraum der Band. Dadurch haben die elf Stücke eine große Unmittelbarkeit und eine Menge Druck bekommen. Sie bestechen außerdem durch dynamische Songdramaturgien, die mehr zu bieten haben als das stumpfe Muster Strophe-Mitgröl-Refrain-Strophe artverwandter Bands.

Die Beatsteaks haben ihren Sound in über 15 Jahren immer weiter verfeinert, wobei die Entwicklung zu weniger Härte und mehr Pop den Mitt-Dreißigern gut zu Gesicht steht. Souverän bauen sie jetzt auch mal ein Klavier oder B52s-hafte Handclaps ein – man kann ja trotzdem im nächsten Moment wieder loslärmen.

Der nicht mal eineinhalb Minuten lange Punkrock-Knaller „Behaviour“ – gesungen von Gitarrist Bernd Kurtzke – wirkt allerdings doch ein wenig deplatziert im Umfeld dieser durchdachten Platte. Fast wie ein gezwungener Gruß an die eigene Vergangenheit. Die Offbeat-Stücke überzeugen da deutlich mehr: Das fröhliche „Let’s See“ mit seiner charmant quietschenden Orgel hat genau wie „Automatic“, das von einem dubbigen Bass getragen wird, berechtigte Sommerhit- Ambitionen. Das Herz wärmen sie auf jeden Fall.

„Boombox“ erscheint am Freitag bei Warner. Konzert: 10./11. Juni, Kindlbühne Wuhlheide, Berlin

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