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Pop-Messias. Jens Friebe singt von Liebestheater und Lebensbilanzen.

© ZickZack

Neues Album: Jens Friebe: Die Welt steht still

Gelungener Größenwahn: Jens Friebes Album "Abändern" ist sein bislang elegantestes, musikalisch am stärksten ausgefeiltes Werk. Mit seinem Status als Beinahe-Popstar hat er sich abgefunden.

Die englische Floskel „Up and Down“ klingt wie ein deutscher Befehl: „Abändern“. Man muss sie nur schnell genug und ein wenig schlampig aussprechen. Abändern: Alles gehört auf den Prüfstand. So ist aus „Up & Down“, einem Hit der holländischen Eurodance-Formation Vengaboys aus dem Jahr 1997, nun das etwas windschiefe Titelstück von Jens Friebes neuem Album „Abändern“ geworden. Ein Song wie eine Karussellfahrt. Der Schlagzeugbeat stampft, ein Synthie quietscht, zu Klavierstakkato und Händeklatschen skandiert eine Frauenstimme den ewig gleichen Vers: „Up and Down.“ Beziehungsweise: „Abändern.“

Up and Down, das sind die Gesetze, nach denen der Musikmarkt funktioniert. Auf Hits folgt der Absturz und auf den Absturz irgendwann das Comeback. Eine Achterbahnfahrt. Zumindest sind das die Musikergeschichten, die das größte Drama versprechen. In Wirklichkeit ist alles natürlich viel langweiliger, die meisten Karrieren passen nicht ins Klischee. Als Jens Friebe im Jahr 2004 sein Debütalbum „Vorher Nachher Bilder“ veröffentlichte, wurde der Berliner Sänger wie ein Messias gefeiert. Sein Singer-Songwriter-Elektropop klang mitreißend melodiös, die Texte waren unschlagbar schlau und sophisticated. Die „FAS“ nannte Friebe den „einzig wahren deutschen Popstar“.

Aus dem Hitparadenruhm wurde dennoch nichts. Friebe, gebürtiger Lüdenscheider, ist inzwischen 34, mit seinem Status als Beinahe-Popstar hat er sich abgefunden. „Ich habe nichts dagegen, ein ewiger Geheimtipp zu sein“, sagt er. „Abändern“, das vierte Album, ist sein bislang elegantestes, musikalisch am stärksten ausgefeiltes Werk. Den Titel versteht er nicht als Kommentar zur eigenen Karriere, sondern als politisches Statement. „Up and Down ist eine konservative Bewegung, die etwas Immergleiches beschreibt. Abändern steht für Fortschritt und den Glauben an Veränderung.“

Geändert hat Friebe vor allem eins: Sein Leadinstrument ist nun das Klavier, nicht mehr die Gitarre. Mit Gitarren, glaubt er, ist schon fast alles gemacht worden. „Der Gitarrenlärm von Wedding Present oder Sonic Youth war in den Achtzigern und Neunzigern noch Ausdruck von etwas Widerständigem. Jetzt ist daraus ein dauernder Werbesound geworden, ein Gute-Laune-Ding wie das Saxofon in den Siebzigern.“ Produziert wurde „Abändern“ von Berend Intelmann, zu Friebes Band gehören Schlagzeuger Chris Irmler und Gitarristin Julie Miess.

„Theater“, das erste Stück des Albums, ist um ein hämmerndes Moll-Pianomotiv gebaut, dazu dengelt es nervös aus Schlagzeug und Bass. Friebe besingt die Kunst der Gelassenheit: „Du musst heut Nacht nicht auf die Vernissage gehen / Du musst heut Nacht nicht auf dieses Konzert / Das hat man doch alles schon mal gesehen.“ Die Ballade „Vögel“, mit dramatischen Paukenschlägen akzentuiert, entdeckt Surrealistisches im Alltag: „Und es klingelte, und sie ging hin / Und durch die Gegensprechanlage hörte sie die Vögel.“

Der schönste Song der Platte heißt „Charles de Gaulle“. Er beginnt mit federnden Akkorden und eingedeutschten Zeilen aus der Sterbeballade „Seasons in the Sun“ des kanadischen One-Hit-Wunders Terry Jacks und entwickelt sich dann zu einer zwischen Euphorie und Melancholie pendelnden Lebensbilanz: „Wir lagen uns in den Armen / Oder waren es die Haare / Und die Jahre, die wir brauchen, bis wir uns davon erholen / Ziehen vorbei wie fremde Koffer auf dem Band im Charles de Gaulle.“ Ein Abschiedslied, das, wenn es Gerechtigkeit gäbe in dieser Welt, der Herbsthit des Jahres werden müsste.

„Abändern“ sei Jens Friebes „persönlichstes und komplexestes Album“, sagt sein Entdecker Alfred Hilsberg, Betreiber des Hamburger ZickZack-Labels. Friebe arbeitet intensiv mit Zitaten. So ist der Text des NDW-artigen Mitsing-Songs „Königin im Dreck“ nahezu komplett aus Textschnipseln des Dichters Ronald M. Schernikau zusammengepuzzelt. „Stillstand der Welt zwecks Besprechung der Lage / Krault die Nacken, stellt die Fragen“, heißt es da in gelungenem Größenwahn. Gerade ist Friebe mit seiner Band aus dem Nordirak zurückgekehrt, wo er auf Einladung des Goethe-Instituts zwei Konzerte vor Schülern gegeben hat. „Wir wurden schon wie die Beatles empfangen, bevor wir den ersten Ton gespielt hatten.“ Jetzt also doch: Friebe-Mania.

„Abändern“ ist bei ZickZack erschienen. Konzert am 8. Dezember im Festsaal Kreuzberg.

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