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Liebestrank

© dpa

Oper: Ach, Adina!

Die Kammeroper Rheinsberg lockt – mit einem sommerlichen Cocktail aus Wagner und Donizetti.

Normalerweise lässt sich aus einer Jukebox mit ein bisschen Glück und ein paar Münzen eine heiße Nummer zaubern: Ben E. King etwa oder Doris Day, Musik also, bei der man das nächstbeste Mädel an sich reißt, es fest umschlingt, Hände auf den Hintern und los. An diesem Abend im Schlosstheater zu Rheinsberg jedoch tönt Seltsames aus dem poppigen Riesenrecorder. Es sind nur drei Takte, ein kleines melodisches Aufschwingen, ein kurzes Verharren und ein tiefer Seufzer, und plötzlich wird einem das Herz ganz bang. Es sind diese Takte aus dem Vorspiel von Richard Wagners Oper „Tristan und Isolde“, eben jene Tonfolge, die zum musikalischen Synonym für die Liebe schlechthin geworden ist – und beim mehrteiligen Rheinsberger Abend mit dem Titel „Auf der Suche nach dem Liebestrank“ funktionieren sie als Leitmotiv. Regisseur Frank Matthus, Sohn des Festivalgründers Siegfried Matthus, hat für sein Rheinsberger Regiedebüt Gaetano Donizettis Oper „Der Liebestrank“ gewählt: Mit seiner Liebelei zwischen der schönen Adina und dem tollpatschigen Nemorino, seinen süffigen italienischen Melodien und seinen – anders als bei Wagner – lebensbejahenden Reminiszenzen an die Geschichte von „Tristan und Isolde“ passt das Werk vorzüglich ins sommerlich verzauberte Ambiente aus Schloss, See und Sonnenuntergang.

Gar nicht erst bemüht, in dieser Oper nach emotionaler Tiefe oder Doppelbödigkeiten zu suchen, setzt Matthus rundherum auf ungetrübte Heiterkeit, schickt seine Zuschauer nicht nur beschwingt durch die „Achs“ und „Wehs“ der Oper, sondern vorab, Weichspüler für die vom Alltag verhärteten Herzen, in den Lustgarten des jungen Fritz (Leitung: Siegfried Matthus). Hier, im historischen Heckentheater, beginnt das Spektakel: Drei weißgewandete Damen mit venezianischen Masken locken hinein in den liebestrunkenen Park. Man läuft vorbei an raschelnden Sträuchern, durch verwunschene Gassen und über knirschenden Kies. Immer wieder wehen schmerzliche Seufzer herüber, ein Murmeln und Stöhnen, ein Sichfreuen und Sehnen. Der Park als Shakespeare’scher Sommernachtswald: Auf einer Wiese erklingt Puccinis Arie der Tosca, nahe der Grotte besingt Mozarts Pamina ihr Leid. Monostatos flucht und Don Ottavio schwelgt. Bis ein Trommelzeichen zum Aufbruch gemahnt und ein Boot mit vier Liebenden über den See entschwindet.

Derart beseelt nimmt man anschließend im Schlosstheater Platz – bereit für die Fortsetzung der Liebeständeleien, angerichtet in Frank Matthus’ „Liebestrank“-Version im Italien der sechziger Jahre. Adina, kühl, blond und mit Knackarsch, ist Inhaberin einer Pizzeria nebst angeschlossener Pension. Regelmäßig trifft sich hier unter den knalligen Werbeslogans von Asti Cinzano und Segafredo (Ausstattung: Karel Spanhak) die Jugend des Dorfes: vor Testosteron strotzende Jungs mit Pomade im Haar und süß berockte Mädels mit Kussmund. Nemorino, ein milchgesichtiger Jüngling mit zu kurz geratener Anzughose, will Adinas Herz erobern. Er wirft die Jukebox an. Doch erst einmal erklingt daraus nur Wagners Tristan-Musik.

Nun ist es wahrlich kein Geniestreich, in dieser Oper Wagner zu zitieren – entsteht doch Nemorinos Plan, sich bei Quacksalber Dulcamara einen Liebestrank zu besorgen, erst dadurch, dass Adina ihren Gästen die Geschichte von „Tristan und Isolde“ vorliest. Und doch verbinden diese zwischenweltlichen Klänge allein den Zauberwald des Beginns mit der nun fröhlich-erdigen Teenager-Liebelei auf der Bühne. Als Adina das unheimliche Treiben mit einem kräftigen Tritt gegen die Jukebox beendet, ist der Weg für die italienische Leichtigkeit frei. Der Tristan-Akkord dient in der Folge nur mehr als Persiflage.

Schlussendlich ist es den Sängern und dem Landesjugendsinfonieorchester Brandenburg unter Leo Siberski zu verdanken, dass sie den boulevardesken Frohsinn mit Energie und jugendlichen Charme tragen. Neben einem stimmstarken Ensemble, neben Julia Weigel als vor Liebe bebender Gianetta, Norman Patzke als herrlich schmierigem Dulcamara und Joa Helgesson als wunderbar blasiertem Belcore sind es vor allem die beiden Hauptfiguren, die das Geschehen zwischen sich aufspannen. Timothy Oliver gibt einen tollpatschigen, stimmlich raumgreifenden und einschmeichelnden Nemorino, während Anett Fritsch als Adina mit kräftigem und beweglichem Sopran das Herz Nemorinos erobert. Und das der Zuschauer gleich dazu.

Weitere Vorstellungen: 28./ 31. Juli, 1./3./4. August, 19.30 Uhr

Dorte Eilers

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