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PeterLicht

© promo

PeterLicht: "Ich bin als Person nicht relevant"

PeterLichts erste Platte erschien 2000 noch unter dem Namen "Meinrad Jungblut". Vier Alben mit poetischer Gesellschaftskritik und einen Bachmann-Publikumspreis später gehört der Mann, der sein Gesicht in den Medien nicht zeigt, zu den meistdiskutierten deutschsprachigen Textern.

"Und deshalb handeln PeterLicht und das Projekt und meine Lieder von dieser Undurchdringbarkeit", sagt der Künstler, der sich auf Medienebene PeterLicht nennt. Sprechen wir mit einer Kunstfigur, einem Projekt oder einem greifbaren Songschreiber? Und ist das letztlich nicht egal, wenn die Musik fetzt? Er sei "von Beruf beides", nämlich Musiker und Schriftsteller. "Helmut Kohl ist ein alter Freund von mir", formuliert PeterLicht druck- und singreif in den Hörer. Und er meint es ernst.

In den Medien trittst Du als Person nicht mit Gesicht in Erscheinung – warum hältst Du Dich mit der Kunstfigur PeterLicht so bedeckt?

Es geht mir darum, mir selber klarzuwerden, was ich da mache und in welchen Bezügen ich unterwegs bin; Grenzen von Verfügbarkeit klarzumachen und auch irgendwie frei zu sein - letztendlich. Das System der Massenmedien oder des frei flottierenden Inhalts hat sehr viele absurde und interessante Bezüge, und ich kann nicht anders, als darauf zu reagieren. Es ist etwas anderes, ob ich jemandem persönlich etwas vorspiele oder mich mit ihm unterhalte, oder ob ich im Radio etwas mache oder hier etwas veröffentlicht wird. Und das ist der Grund, Verfügbarkeit zu definieren.

Geht es Dir dabei auch um Selbstschutz, oder darum, die Kontrolle zu behalten?

Das ist eine Auseinandersetzung. Wenn ich selber Musik oder irgendwelche Inhalte mitkriege, bin ich auch froh um jede Leerstelle - um alles, was ich nicht weiß. Meine Lieder und meine Texte sind abstrakte Äußerungen, und keine Abbildung meiner Persönlichkeit. Ich möchte nicht meine Biografie vertonen - oder mein Gesicht. Es soll das sein, was es ist: nämlich diese Lieder oder Texte - und das ist es dann.

Du lehnst also Identifikation ab?

Ja, die lehne ich ab. Identifikation mit meiner Person würde ich ablehnen. Für mich ist es wichtig in diesem Bewusstseinssystem des öffentlichen Bewusstseins oder der Medien, dass diese mitgesendete, immer bestehende Entfremdung offensichtlich ist. Helmut Kohl ist ein alter Freund von mir. Ich habe ganz viele Jahre mit ihm verbracht, habe von ihm geträumt, alles. Aber Helmut Kohl ist auch eine fiktive Figur. Das ist alles inszeniert, weil das im Medium stattfindet. Dieses Verhältnis zwischen Inszenierung und Wirklichkeit ist ein undurchdringbares. Und deshalb handeln PeterLicht und das Projekt und meine Lieder von dieser Undurchdringbarkeit.

Sind das trotzdem persönliche Themen, die Du aufgreifst?

Klar. Ich kann ja nicht anders, ich bin ja eine Person. Das sind aber abstrakte Inhalte. Sowas wie Trennung hat per se einen persönlichen Spin, für mich und für jeden anderen. Daher ist das persönlich, aber es geht nicht um meine Person. Ich bin nicht relevant. Ich bin überflüssig. Popmusik ist eine abstrakte Umsetzung von Realität, und die morpht dann in etwas anderes, was für sich steht. Und das ist in diesem Fall genau so: Es gibt keinen Menschen in unserem Kulturkreis, der nicht mit dem Thema Trennung etwas zu tun hätte, und davon handelt dieses Lied. Es gibt keine Geschichte dahinter, es gibt keine Homestory.

Meinst Du, Du kannst mit den Texten vorgeben, was die Leute aus dem Lied rauslesen?

Das möchte ich gar nicht. Bei dem Trennungslied sind das ganz unterschiedliche Pole, zwischen denen sich das bewegt. Das ist auf der einen Seite das ganz banale Phänomen der Trennung, und ganz banale Reime und Namen, ein permanenter Strom. Es ist banal und auch irgendwie lustig, und auf der anderen Seite ist es der maximale Schmerz, der unterwegs ist, und die maximale Enttäuschung und Lebenskrise. Und das finde ich ein irrwitziges Phänomen, dass das in dem Beispiel so nahe beieinander liegt.

Quelle: Youtube.com

Auch im viralen Kurzvideo zum "Trennungslied" ist PeterLicht nicht zu sehen

Die Haltung zu meinen Liedern ist schon die, dass wenn ich die einmal raus und weg habe, dass die dann mich auch bitteschön verlassen mögen und dann auch weg sind; dass sie auf die Reise gehen sollen und machen, was sie wollen.

Interessiert Dich, was die Leute von Deinen Liedern denken?

Mich beeindruckt das, es rührt einen auch. Aber: Ich bin ja nicht dabei, es hat nichts mit mir zu tun. Es ist eine Eigenschleife, die im Hörer stattfindet. Das entsteht im Zusammenhang mit einem Lied, aber aus dem Spiel bin ich raus.

Wie ist das live, da hast Du ja direkt die Rückkopplung aus dem Publikum?

Es ist auch nicht so, dass mir das egal wäre. Natürlich nicht. Ich habe dazu eine Distanz. Und live ist ein irres Phänomen. Wir singen ja manchmal auch mit den Leuten zusammen. Das sind schon wahnsinnige Momente, wenn die alle singen "Wir machen uns Sorgen". Das ist in dem Fall eine Verhöhnung der Sorge, aber auch ein Aussprechen der Sorge, dieses blöden Wortes "Sorge". Je mehr ich "Sorgen" singe, umso weniger Sorgen habe ich - der ganz plumpe kathartische Effekt. Ich weiß nicht, ob das für andere Leute auch zutrifft. Das ist ja auch eine Ulknummer auf eine Weise, das mal im Kirchentags-Stil zu singen. Ich empfinde das auch als politisch.

Ich hatte den Eindruck, dass es ein Stilmittel von Dir ist, auch mit Zeilen wie "Wir werden siegen" oder "Der Kapitalismus - jetzt ist er endlich vorbei" Themen mit einer Leichtigkeit und mit Humor anzusprechen.

Die Überwindung durch Humor und Benennung und Verhöhnung ist schon ein wichtiges Moment. Das finde ich eine gute Kraft - den Übeltäter zu nehmen und mit ihm seine Späße zu machen. Auch wenn letztlich die Späße an ihm abperlen, am Kapitalismus, in Form eines Lotus-Effekts. Da perlt alles dran ab, aber egal. Ich bin ja eine Person, und jeder ist eine Person. Und welche Position kann ich einem insgesamten Phänomen gegenüber beziehen? Keine! Ich kann ein Phänomen wie Kapitalismus wörtlich nehmen und den Kapitalismus mal kurz als Person begreifen, diesen alten Onkel, und auf den hinprojezieren. In Wirklichkeit gibt es keinen Feind. Das ist auch schade, dass es den Feind nicht gibt.

Ich finde, das Politische ist weniger greifbar, weniger deutlich auf dem neuen Album.

Ich find's eigentlich nicht. Für mich ist das eine ziemliche gerade Fortführung vom letzten. "Stilberatung" ist das eindeutigste Lied, ein Protestlied, nach dessen Singen die Welt anders aussieht und gerettet ist. [Mit Textzeilen wie: "Liebe Medienschaffenden, bitte nie mehr Sexualität zeigen/Bedeckte Körper sind in Ordnung", A. d. R.] Insgesamt ist das Album eine Auseinandersetzung mit Themen wie Melancholie, Gesellschaft, Kapitalismus, Selbstverwirklichung, Kollektiv, Ich, Trennung, Marketing, Funktionieren, Abläufe - davon handelt das ganze. Es ist auch nicht mein Ansatz, Botschaften im Sinne von Handlungsanweisungen zu geben. Das kommt irgendwie gar nicht in Frage. Mein Bestreben, das Bestreben von jedem, der Lieder macht, geht dahin, einen wahren Moment zu treffen.

Peer Göbel

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