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© Doris Klaas

Pop-Tipp: Miike Snow, Bodi Bill, Wet Wet Wet

Woran der DJ, Autor und Kritiker Kolja Reichert sich erinnern wird, wenn er an diesen Sommer zurückdenkt.

Miike Snow: Miike Snow

Alle andern sind schon weg. Wo soll es hingehen dieses Jahr? Sylt? Sardinien? Istanbul? Havelstrand? Ich höre Miike Snow und bin schon überall.

Die paar in der Stadt verbliebenen Freunde lächeln nur noch müde, wenn ich wieder summe: "I change shapes just to hide in this place, but I'm still, I'm still an animal...". Der Refrain des himmelstürmenden "Animal", das Stück, das mir im Ohr bleiben wird als Hymne dieses Sommers. Honkytonk-Akkorde, ein Glockenspiel, ein Stampfbeat mit Bonanza-Schlagzeug, synkopische Synthies, die auf die Tanzfläche zerren und das verschwenderisch exaltierte Falsett von Andrew Wyatt. Mann. Zum Heulen.

Ich sah Miike Snow zum ersten Mal auf dem Melt!-Festival. Stimmungen und Instrumente wechselten da wie Wetter. Musik, die schon überall war und von überall was mitgebracht hat. Kein Wunder: Hinter den Songs stecken die Produzenten von Britney Spears' "Toxic".

Die Schweden Christian Karlsson und Pontus Winnberg sind sonst Bloodshy & Avant und schraubten auch für Madonna, Kylie Minogue und Jennifer Lopez. Sie sind also Meister in der Architektur effizienter Popsongs. Mit Sänger Andrew Wyatt bauten sie einen wie beiläufig mitreißenden Hybriden aus Indiefolk und Elektropop, skandinavisch verschroben und euphorisch zugleich, der an keinem Genre hängt, sondern die Arme weit ausbreitet wie das lustige Bandmaskottchen "Jackalopes" (ein Hase mit Blingbling-Anhänger) sein Geweih. Weiß der Gorny, warum das Album überall sonst veröffentlicht ist, in Deutschland aber nur als Import zu haben. Abhilfe gibt's hier: http://hypem.com/#/search/miike%20snow/1/.

So. Sylt und Havelstrand sind erledigt, und auf einem Berg im Schwäbischen tanzte ich in der Morgendämmerung zu Miike Snows House-Rakete "Cult Logic". Istanbul kann kommen. Und Ende September das Album.

Bodi Bill: Next Time

Jetzt könnte ich eigentlich die gleiche Geschichte noch mal erzählen, diesmal anhand dieser netten Band aus Berlin. Die spannendsten Dinge passieren in meinen Ohren zur Zeit eben da, wo die File-Fluten der Internet-Tauschbörsen und der Shuffle-Modus der Mp3-Player neuartige Fußspuren hinterließen. Wo keine Indie-Schrammler in Posen erstarren, sondern Band und Menge gemeinsam aufgehen in den geheimnisvollen Gesängen der Maschinen. Bodi Bill pflegen eine Berlingemäße Patchworkästhetik, in der trotziger Gesang, schabende Nebengeräusche und knatternde Synthies organisch ineinandergreifen. Melancholie und Euphorie, so fest verknotet, dass es weh tut. Reiß Dein Herz raus und kleb's hier rein. In den Texten lockt der Märchenwald und die Tiere flüstern von Abschied, wie im traurigen "Depart". Toller Titel, tolles Stück: "I Like Holden Coldfield".

Wet Wet Wet: Love Is Allround

Kleiner Scherz. Aber toll zum Kopf frei machen. Und das beste Gegengift für die Playlist des neuen Nachbarn (King Orgasmus One feat. Frauenarzt).

Kolja Reichert ist als Autor regelmäßig auf den Bühnen von www.leseduene.de und www.kreuzbergslam.de zu hören, wo er auch hinterm DJ-Pult steht. Für den Tagesspiegel schreibt er vor allem über Kunst und Pop.

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