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© - Foto: Sony BMG

Rock: Der Staub der Straße

Breitwandrock: Bruce Springsteen zelebriert sein 15. Studioalbum "Magic“.

Er hatte sie in letzter Zeit vernachlässigt, seine alte Gefährtin. Doch sie wusste: Er kommt zu mir zurück. Auch diesmal sollte sie Recht behalten. Nach rund drei Jahren, in denen vor allem Akustikgitarren auf seinem Schoß Platz genommen hatten, hat Bruce Springsteen seine abgeschabte Fender Telecaster wieder aus dem Koffer geholt. Im Innencover seines neuen Albums „Magic“ hält der 58-Jährige sie im rechten Arm und im linken seine Frau Patti Scialfa. Sie ist Mitglied von Springsteens E Street Band, die ebenfalls wieder mit von der Partie war – zum ersten Mal seit „The Rising“ (2002).

Die Wiedersehensfreude scheint groß gewesen zu sein: Die ersten drei Songs des wieder von Brendan O’Brien produzierten Albums brettern herein wie ein 1000-PS-Truck, der Vollgas gibt. Er rast stur geradeaus, jubiliert und rockt, was das Zeug hält. Schicht auf Schicht türmt sich der Sound ins Monumentale. Und Clarence Clemons streut, wo er kann, noch ein Saxophon-Solo obendrauf. Das erinnert an Springsteen, wie man ihn von seinem Durchbruchsalbum „Born to Run“ (1975) kennt und wie man ihn seither immer wieder gehört hat. Ihm das vorzuwerfen, wäre ungefähr so sinnvoll, wie sich bei einer Brauerei zu beschweren, dass sie Bier herstellt.

Seit jeher gilt Bruce Springsteen, „der Boss“, als die Verkörperung des ehrlichen Kerls, der sich alles hart erarbeitet hat. Und wenn er mit rauer Stimme von seiner Heimat singt, nimmt man ihm das ab, weil er immer noch in New Jersey wohnt und sonntags seiner Tochter beim Reiten zuschaut. Diese Bodenständigkeit spiegelt sich auch in seinen Texten, die auf kunstvoll reduzierte Weise kleine Dramen aus dem Leben von Bobby, Janey, Mary oder John erzählen. Sie alle haben vom American Dream nie wirklich etwas gesehen, schlagen sich irgendwie durch, fahren ewig auf dem Highway herum oder hocken in schmuddeligen Bars.

So ein Typ war auch der „Gypsy Biker“, von dem eine der anrührendsten Geschichten auf „Magic“ erzählt: Tot ist er nach Hause zurückgekehrt, Schuhe und Kleider sind schon verkauft. Die Freunde schieben sein Motorrad aus der Garage, polieren es, fahren zu einer Schlucht und verbrennen es. Es ist beeindruckend, wie die E-Gitarren und einige gezogene Mundharmonika-Fäden das Bild einer Straße heraufbeschwören und es mit der Trauer der Freunde vermischen. Springsteen überzeugt auf seinem 15. Studioalbum am meisten, wenn er Schmerz oder Wut zum Ausdruck bringen will. Dies geschieht vor allem in der besseren zweiten Hälfte des Albums, wo sich auch die Stücke mit Bezügen auf den Irak-Krieg befinden. Zu einfachem Bush-Bashing lässt Springsteen sich nicht hinreißen. Seine Meinung über den US-Präsidenten ist schließlich spätestens seit seiner Teilnahme an der „Vote-for-Change“-Tour im Jahr 2004 bekannt, bei der er sich für dessen Abwahl einsetzte. In „Last to die“ singt er: „Who’ll be the last to die for a mistake/The last to die for a mistake/Whose blood will spill/Whose heart will break/Who“ll be the last to die“. Diese Frage, wer der Letzte sein wird, der für einen Fehler sterben muss, stellt er ohne Fragezeichen, denn die Antwort liegt auf der Hand: Diejenigen, die das Blutvergießen verursachen, sind selber die letzten, deren Blut fließt. Konkreter wird Springsteen in „Devil’s Arcade“, das als eine Fortschreibung des Titelstücks von „Devils & Dust“ von 2005 gelesen werden kann. In diesem zu Beginn des zweiten Irak-Kriegs geschriebenen Lied ging es um einen Soldaten in einem weit entfernten, staubigen Land, der mit dem Finger am Abzug von Angst und Zweifeln übermannt wird. Der Wüstenstaub klebt auch in „Devil’s Arcade“ am Gesicht eines Soldaten. In der Mitte des Stücks schwingt sich die vorher in der Distanz verharrende E-Gitarre zusammen mit der Streichersektion zu einer mächtigen gemeinsamen Klage auf. Die anschließende Schilderung der Sehnsucht des Soldaten nach seinem Zuhause ist eine zu Tränen rührende Meisterleistung in Sachen unpeinlichem Pathos.

Bei zwei der zwölf Songs auf „Magic“ fährt die E Street Band ihren kraftstrotzenden Breitwandsound zurück und überzeugt mit klaren Akustikarrangements: Der Hidden Track sendet einen zarten Abschiedsgruß an Springsteens im Sommer verstorbenen Freund Terry Magovern. Und „Magic“ ist eine wunderbare, flirrende Kurzballade, die an Springsteens Songwriter-Solowerke im Stile von „Nebraska“ erinnert. Hier sieht man wieder, was sich bei „Devils & Dust“ sowie der Pete-Seeger-Hommage „We shall overcome“ gezeigt hat: Springsteen mit Akustikgitarre ist derzeit fast interessanter als mit der E-Gitarre. Doch die Telecaster muss nicht eifersüchtig werden, denn ihr Meister hat erst kürzlich Gerüchte dementiert, dass sich die E Street Band bald auflöst. Noch „viele, viele, viele weitere Jahre“ wolle er mit seinen Kumpels spielen. Und da darf die alte Lady natürlich nicht fehlen.

Bruce Springsteens „Magic“ ist bei SonyBMG erschienen. Live am 2. 12. in Mannheim und am 13. 12. in Köln

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