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Flexibel. Shakira in Berlin

© DAVIDS

Shakira: Rock ist zu eng

Shakira singt und tanzt in Berlin. Selbstbestimmung scheint bei ihr ganz oben auf der Agenda zu stehen. Im Augenblick ist sie der globalste aller Großpopstars.

Als um Viertel nach neun endlich Schluss ist mit dem DJ-Vorgeplänkel, dauert es ein paar Momente, bis die meisten der über zehntausend Shakira-Fans in der Berliner O2-Arena begriffen haben, wo ihr Idol sich eigentlich herumtreibt. Shakira steht nicht auf der Bühne, sondern stolziert zu Beginn ihres Auftritts durch das Publikum. In einem knallrosa Tüllkostüm singt sie ihre frühe Ballade „Pienso En Ti“, verteilt Küsschen, schüttelt Hände. Die Königin des Pop nimmt die ihr gemäßen Huldigungen entgegen. Aber sie ist eins mit ihrem Publikum. Sie will nichts anderes, als dass dieses eine gute Zeit mit ihr habe.

Tatsächlich hält Shakira in den nächsten anderthalb Stunden ihr Versprechen. Sofort streift sie auf der Bühne das rosa Kostüm ab und macht in Glitzertop und schwarzen Latex-Leggins das, wofür sie bezahlt wird und berühmt geworden ist: tanzen, gute Laune verbreiten, toll singen, Mähne schütteln, Hüften, Hintern und andere Körperteile kreisen lassen.

„Die Königin des Pop“ – das ist natürlich ein poptypischer Euphemismus. Und doch ist die 33-jährige Kolumbianerin davon nicht weit entfernt. Im Augenblick ist sie der globalste aller Großpopstars. Als Tochter eines libanesischstämmigen New Yorkers und einer Kolumbianerin begann sie Anfang der Neunziger ihre ersten Lieder auf Spanisch zu singen. Ein paar Jahre später wurde sie in Lateinamerika ein Star, und nachdem sie 2001 ein Album mit englischen Texten eingespielt hatte, auch in den USA und Europa. Dann kamen orientalische Rhythmen dazu, und mit der Fußball-WM-Hymne „Waka Waka („This Time For Africa“) eroberte sie den Rest der Welt von Afrika bis Asien.

Nur zeigt sich diese globale Vielseitigkeit beim Berliner Konzert lediglich in Ansätzen. Die Musiker der achtköpfigen Band kommen aus Brasilien, Südafrika und Irland; Shakira präsentiert sich im Rockmiezen-, Bauchtänzerinnen- und Flamenco-Outfit (und in einer merkwürdig neongrün-schwarzen Leopardenhose), zumeist barfuß. Und auch an Bongos, Ukulelen, Geigen, elektronischen Beats und Reggaesprengseln fehlt es nicht.

Trotzdem hat man den Eindruck, dass ihr Herz vor allem für den Rock schlägt, für den der fiesen, standardisierten Bratzsorte, der noch ihre zartesten Liedchen einzudicken weiß. So schlimm wie hier hat man die Rave-Hymne „Unbelievable“ und das schon lange zu Klassik-Rock-Ehren gekommene Metallica-Murksstück „Nothing Else Matters“ noch nicht gehört. Nur gut, dass Shakiras Repertoire groß genug ist, um aus solchen Tiefen wieder aufzutauchen, mit leider nur wenigen in ihrer Muttersprache gesungenen Balladen wie „Antes De Las Seis“ oder Hits wie „Loca“, „She Wolf“ und „Hips Don’t Lie“.

Imponierend aber ist nicht nur die energisch gute Laune, sondern dass Shakira eine glaubwürdige Authentizität vermittelt. Sie wirkt nicht wie ein Kunstprodukt, das Mentoren, Manager und Plattenfirmenbosse nach Belieben formen, so wie es ihren Kolleginnen von Rihanna bis Lady Gaga widerfährt, nein: Selbstbestimmung scheint bei ihr ganz oben auf der Agenda zu stehen und nicht nur der Imageproduktion zu dienen. Zudem schreibt Shakira ihre Songs alle selbst. Ihre vielen, eigentlich unnötigen Kostümwechsel sind da wohl mehr ein Zugeständnis an die Gepflogenheiten von Konzerten dieser Größenordnung; überhaupt ist diese Show angenehm reduziert, kommt sie ohne sinnlose Gimmicks aus. Da reichen ein paar Visuals, und da hat das Konfetti am Schluss gar eine ironische Note, gemahnt es doch an Schneeflöckchen – „The Sun Comes Out“ heißt diese Tour.

Vielleicht lässt Shakira den Rockschmock eines schönen Tages einen öden sein und vertraut allein auf die Kraft ihrer Stimme und ihrer Songs. Zuzutrauen wäre es ihr. Gerrit Bartels

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