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Lederjackenbrüder. Sido und Bushido haben die Lust am ewigen Gezoffe verloren.

© Murat Aslan/Sony

Sido und Bushido: Lass uns mit Banknoten werfen, Dicka!

Versöhnung, Kitsch und E-Gitarren: Die Berliner Rapper Sido und Bushido haben gemeinsam ein Album aufgenommen und die Lust am ewigen Gezoffe verloren.

Bushido hatte Rücken. Das volle Programm, inklusive Bandscheibenoperation. Anschließend machte er Erholungsurlaub auf den Malediven – und das Unfassbare geschah: Kollege Sido schickte Genesungswünsche. Krass, krass. Da herrscht doch eigentlich Hass. Wird der große Feind weich, oder was?

Diese kleine Episode markierte den Anfang vom Ende einer jahrelangen Fehde zwischen den beiden Berliner Großmäulern. Ihr sogenannter Beef war eine für die Szene recht unterhaltsame Angelegenheit, bei der die Kombattanten tief in der Trickkiste des fäkalen, genitalen und Ich-spuck-auf-Deine-Mutter-Beleidigungsvokabulars griffen. Auch befreundete Rapper beteiligten sich munter an der Dreckschleuderei, die sich über zahllose Songs und Interviews hinzog.

Irgendwann muss Sido und Bushido, die einst gemeinsam beim Label Aggro Berlin ihre Karrieren starteten und zu den bekanntesten Rappern des Landes aufstiegen, aufgefallen sein, dass die Nummer langsam lahm wird. Wahrscheinlich war das Ganze wie beim Catchen sowieso immer schon zur Hälfte reine Show gewesen. Beim Gangsterrap gehören solche Streitereien einfach dazu. Es muss knallen, wenn schon nicht aus Pistolen wie bei den amerikanischen Vorbildern, dann wenigstens verbal. In einem gemeinsamen Interview gab Sido kürzlich zu, dass die Konkurrenzsituation belebend fürs Geschäft war. Doch jetzt mit über 30 sei man das ewige Gezoffe einfach leid. Das sollen mal bitte die Nachwuchskräfte übernehmen.

Ganz erwachsen sagt Bushido: „Wir haben Frau und Kinder. Ich sitze beim Elternabend. Sido geht mit seinem Sohn angeln. Es sind ganz andere Dinge, die uns heute beschäftigen.“ Das noch größere Geschäft zum Beispiel. Denn wenn man beide Fanlager addiert, ist der Erfolg quasi unausweichlich. Selbst Hardcore- Anhänger, die den beiden Verrat vorwerfen, werden neugierig sein, was ihre Idole zusammen auf die Beine stellen. Also gaben sich Sido und Bushido die Hand und fädelten den Deal für ein Kollaborationsalbum ein. Es heißt „23“, weil die beiden gemeinsam auf 23 Veröffentlichungen kommen. Das ist in etwa so einfallsreich wie eine Bar nach ihrer Hausnummer zu benennen. Vielleicht weist die Plattenfirma deshalb darauf hin, dass 23 ja auch die magische Zahl der Illuminaten ist. Ein bisschen Verschwörungstheorie macht sich ja immer gut. Und die Eule auf dem Cover soll wohl von der neuen Weisheit der beiden künden.

Weiter auf der nächsten Seite: Keine Scheu vor Kitsch und der Therapiecouch

Sido und Bushido inszenieren sich auf „23“ als elder statesmen des deutschen Hip-Hop. Im Booklet sind sie in einem getäfelten Besprechungszimmer zu sehen, umringt von weißhaarigen Herren. Sie verzichten in ihren Texten weitgehend auf das übliche Vulgärrepertoire und feiern sich stattdessen auf gediegene Weise als die beiden letzten Alphawölfe in der Raplandschaft. Dabei erlauben sie sich sogar erstaunlich selbstkritische und zweiflerische Töne.

Wie direkt von der Therapiecouch erzählt etwa Bushido in „Bring mich heim“, dass er sich unausgeglichen fühle und nur einen Grund zum Ausflippen suche. „Das Problem bin ich“, lautet die luzide Erkenntnis dieses Liedes, dessen von J-Luv gesungener Refrain auch aus einem Xavier-Naidoo-Song stammen könnte. Überhaupt scheuen Sido und Bushido nicht vor Kitsch zurück. So rufen sie in „Auch wenn es manchmal regnet“ zum melancholischen Akustikgitarrenpicking den lieben Gott an, bei dem sie sich fürs Lange-Nicht-Mehr-Melden entschuldigen. Noch überboten wird das von „Erwachsen werden“, der Adaption eines Stücks aus dem Kinderrockmärchen „Tabaluga“. Peter Maffay persönlich singt den Refrain, während das polnische Orchester im Hintergrund so dünn klingt, als käme es aus dem Synthesizer. Das Ganze bewegt sich knapp über dem Niveau von Bushidos „Für immer jung“-Duett mit Karel Gott.

Das Dicke-Hose-Programm haben die Berliner natürlich ebenfalls noch drauf. Das zeigt schon das Video zur Vorab-Single „So mach ich es“, in das auch ein Teil des Albumtracks „Kopf kaputt“ hineingemischt wurde. Die Eröffnungszeile lautet „Maske auf, Knarre raus“ – es folgt ein Bankraub mit viel Geballere. Danach gibt’s nackte Vampirinnen, komische Mönche und einen Schwertkampf. Der Song zockelt in gemäßigtem Tempo auf einem Allerweltsbeat daher, angereichert mit einem Frauengesangssample und ein bisschen Cembalo-Geflitter aus dem Synthie. Die Strophen rappt Bushido, der Refrain gehört Sido: „Ich wollt ein ganz Großer werden/ Und mit Banknoten werfen/Mein Leben genießen Dicka/ Und dann an Drogen sterben/ Und so mach ich es.“ Im Video tragen sie beide Vollbart, Sonnenbrille und Anzug, wodurch sie sich sehr ähnlich sehen. Sie sind Partners in Crime – und richten am Ende doch die Pistolen aufeinander. Der Waffenstillstand kann schnell wieder vorbei sein, soll das wohl heißen. Schließlich ist auch der Versöhnungssong auf „23“ eine ziemlich wehmütige Midtempo-Angelegenheit.

Musikalisch zeigt sich das von Djorkaeff und Beatzarre unterstützte Duo auf den 15 Tracks nicht sonderlich ambitioniert. Die Beats sind solide, ohne jedoch spontanen Kopfnickzwang auszulösen. Der Sound driftet durch den Schlagzeug- und E-Gitarreneinsatz in rockige Gefilde. Modern klingt anders. Immerhin entfaltet das Titelstück mit seiner Keyboard- Hook und dem eingängigen Refrain einen gewissen Ohrwurmfaktor, und in „Verriegel deine Tür“ bollert die Bass-Drum so dolle, dass zumindest die Subwoofer in den aufgepimpten Autos der Fans ordentlich etwas zu tun haben werden. Hier blitzt auch Sidos bissiger, aggressiver Stil mal kurz auf, und es werden ein paar Wörter benutzt, die den Jugendschutzsticker auf dem Cover rechtfertigen. Doch echtes Feuer wie etwa beim Teenage-Angst-Poeten Caspar brennt hier nicht mehr.

Sido und Bushido lehnen sich mit „23“ weit zurück in ihren Chefsesseln. Die Whisky-Gläser in der Hand schauen sie ihrer Geldzählmaschine bei der Arbeit zu. Bushido hat seine Rücken-OP vergessen und auch den Plagiatsprozess, den er gegen eine französische Gothic-Band verlor. Und Sido denkt wohl schon darüber nach, was er zur Premiere seines Films „Blutzbrüdaz“ im Dezember anziehen soll. Die Banknoten müssen ja weiterflattern.

„23“ ist bei Sony Music erschienen.

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