zum Hauptinhalt
Daniel Day-Lewis

© Thilo Rückeis

Porträt: Daniel Day-Lewis: Groß. Hager. Blitzende Augen

Der erste Bären-Favorit: Daniel Day-Lewis, Hauptdarsteller in „There Will Be Blood“, ist ein Missionar der eigenen Art.

„I’m an Oil Man“. Beschwörend kommt der Satz, wie ein Mantra, immer wieder. Vertrauen werbend. Reichtum versprechend. Glauben fordernd. Gesprochen mit weicher, tiefer Stimme. Ein Wolf, der Kreide gefressen hat. „I’m an Oil Man.“

Er tritt auf wie ein Prediger, aus der finstersten Hölle. Groß. Hager. Schwarz. Mit blitzenden Augen und ausladender Gestik. Ein Überzeugungskämpfer. Ein Missionar, der den Bauern ihr Land abschwatzt und ihnen Gold dafür verspricht, schwarzes Gold. Die Rolle des Selfmademans Daniel Plainview in Paul Thomas Andersons Sinclair-Verfilmung „There Will Be Blood“ ist Daniel Day-Lewis auf den Leib geschrieben. Sie hat ihm den Golden Globe, eine Oscar-Nominierung und nun gute Chancen auf einen Goldenen Bären eingebracht.

Es ist eine Jahrhundertrolle, die zurückführt in die Frühzeit Amerikas. Eroberer, Entdecker, harte Männer aus der Jugendzeit der heutigen Vereinigten Staaten hat Daniel Day-Lewis immer wieder gespielt: Hawkeye, den letzten Mohikaner, in Michael Manns Verfilmung von Coopers Indianerroman, den unglücklichen John Proctor in Nicholas Hytners MillerVerfilmung „Hexenjagd“. Und natürlich Billy the Butcher, jene legendäre Schauergestalt aus Martin Scorseses „Gangs of New York“, der Mann mit dem Glasauge, der mit der Axt spielt und für den milchgesichtigen Leonardo DiCaprio die Vaterrolle übernimmt, um ihn dann bis aufs Blut zu bekriegen.

Schmutzige Rollen. Uramerikanische Rollen. Und höchst ungewöhnliche Rollen für einen britisch-irischen Schauspieler, der den stolzen Namen Daniel Michael Blake Day-Lewis trägt. Amerikanisch bodenständig gibt sich Daniel DayLewis auf der Berlinale-Pressekonferenz. Filzhut, schwarzrote Karojacke, schwarzweißes Hemd mit aufgestickten Blumen – und der ganze Mann zwar höflich, aber höchst ungemütlich zugeknöpft. Drei Antwort-Varianten auf die vielen Fragen, die sich an ihn richten: „Wie war noch mal die Frage?“ Stirnrunzeln, zusammengezogene Augenbrauen. „Das kann ich nicht beantworten.“ Oder die härtere Variante, eine Tirade darüber, was alles für Unsinn über ihn geschrieben werde und dass er mit jedem Artikel eigentlich weniger Lust habe, noch weitere Fragen zu beantworten. Man möge bitte alles aus dem Gedächtnis verbannen, was man je über ihn gelesen habe. „Wie war noch mal die Frage?“

Professionelles Dilemma eines Schauspielers, der sich dem Medienzirkus entziehen möchte – und ihn deshalb erst recht anheizt. Der Golden Globe, den er seinem verstorbenen Schauspielkollegen Heath Ledger ge widmet hat – heute erneut darüber zu sprechen, käme ihm geradezu obszön vor: „Es wird ein grauenvoller Zirkus um diesen Tod veranstaltet.“

„I don’t like people.“ Plainviews Selbstcharakterisierung passt auch auf seinen Darsteller. Paradoxerweise mag man es ihm kaum verdenken. Verheiratet mit einer Tochter von Arthur Miller, lebt er mit seiner Familie zurückgezogen in Irland,– „in a very remote place of the world“. All das nährt die Vermutung, dass hier jemand mehr sei als nur ein brillanter Schauspieler. Nur wird es der professionelle Frager nie erfahren. Unabhängigkeit hat ihren Preis.

Ein Eigenbrötler: Er hat es auch seinen Regisseuren nicht leicht gemacht. Lang ist die Liste der Rollen, die er nicht gespielt hat. Aragorn in Peter Jacksons Monumentalfilm „Herr der Ringe“ (der Part ging an Viggo Mortensen), Chris Kelvin in Steven Soderberghs „Solaris“ , den dann George Clooney darstellte, oder – wahrscheinlich zu seinem Glück – Jesus Christus in Mel Gibsons Passionsfilm. Daniel Day-Lewis hat stattdessen Berserkerrollen, Außenseiterrollen gewählt wie die des spastisch gelähmten Künstlers Christy Brown in Jim Sheridans Film „My Left Foot“, für den er monatelang übte, mit dem Fuß zu malen, und am Ende den Oscar als bester Hauptdarsteller erhielt.

„Ich werde wohl kein Mensch des Computerzeitalters mehr werden. Ich liebe es altmodisch, ich finde viel Schönheit in handgemachten Dingen“, hat er kürzlich bekannt. Nur folgerichtig hat der 1,87- Meter-Mann in seinen ersten Rollen bevorzugt Aristokraten gespielt. Etwa den blasierten Cecil Vyse in James Ivorys Film „A Room with a View“, die eigentlich tragische Figur des Films: ein eleganter Snob, der kenntnisreich über Kunst dozieren kann und dabei die Frau an seiner Seite (Helena Bonham-Carter) aus den Augen verliert. Auch Newland Archer in Martin Scorseses WhartonVerfilmung „Zeit der Unschuld“ ist so ein Typus: vollendet elegant, ein Aristokrat, der lieber die Liebe seines Lebens (Michelle Pfeiffer) opfert, als der Familientradition untreu zu werden.

Seine Leidenschaft gilt offenbar den historischen Rollen: „Es wird immer angenommen, dass Historienfilme ein gutes Feld für mich seien, weil ich eine vernünftige Stimme und die richtige Nase habe“, hat er einmal gesagt. „ Aber jeder, der aus dem zynischen Europa kommt, wäre verzaubert vom Enthusiasmus der Neuen Welt. In Amerika wird wohlartikulierte Sprache mit Misstrauen betrachtet. Schauen Sie den Präsidenten an. Er könnte wie ein gut ausgebildeter Neuengländer sprechen, wenn er wollte. Stattdessen hält er seine Hände wie ein Mann, der eine Axt schwingt.“

Eine Axt hat auch Daniel Day-Lewis geschwungen, in „Gangs of New York“. In „There Will Be Blood“ schwingt er große Reden. So gesehen, ist dieser uramerikanische Daniel Plainview: ein Europäer.

BIOGRAFIE

Geboren am 29. April 1957 in London, als Sohn des Dichters Cecil Day-Lewis und der Schauspielerin Jill

Balcon. Schauspielstudium in der British Old Vic School. Zeitweilig

liiert mit Isabelle Adjani, mit der er einen Sohn hat. Heute verheiratet mit Rebecca Miller, der Tochter von Arthur Miller und Inge Morath. Nahm die irische Staatsbürgerschaft an und lebt seit 1993 in Irland.

FILME

Debüt: „Sunday Bloody Sunday“ (1971). Nebenrolle in „Gandhi“ (1982). Erste Hauptrollen in „The Bounty“ (1984), „My Beautiful Laundrette“, A Room with a View (beide 1985), „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ (1988). Oscar für die Darstellung des Christy Brown in Jim Sheridans My Left Foot (1989). Weitere Filme: „Der letzte Mohikaner“ (1992), Zeit der Unschuld (1993), „In the Name of the Father“ (1993), „Hexenjagd“ (1996), Gangs of New York (2002), „The Ballad of Jack and Rose“ (2005, nach einer Erzählung von Rebecca Miller).

Christina Tilmann

Zur Startseite