zum Hauptinhalt
Abbas Maroufi

© Mike Wolff

Porträt des Autors Abbas Maroufi: Unter der Glasglocke

Abbas Maroufi ist einer der bedeutendsten iranischen Schriftsteller der Gegenwart. Seit 20 Jahren lebt er im deutschen Exil. Ein Besuch in seiner Berliner Buchhandlung.

In roten Lettern prangt der Name „Hedayat“ über dem Laden an der Kantstraße. Hinter der Tür liegt ein Büchermeer, ein stiller, euro-persischer Transitraum, die größte Buchhandlung für persische Literatur in Europa. Mittendrin, unter den strengen Blicken von Kafka-, Beckett- und Joyce-Porträts an den Wänden, steht Abbas Maroufi.

Freundlich und zurückhaltend wirkt er, mit Blick in seinen nach Irans Meisterautor der Moderne benannten Laden sagt er: „Schon eins von diesen Büchern zu besitzen, könnte einem in Iran das Leben kosten.“ Maroufi selbst führt nicht nur seit 13 Jahren dieses Geschäft, er hat viele der Werke in seinem Verlag Gardun herausgegeben und außerdem einige der lebensgefährlichen Bücher selber geschrieben.

Deswegen sei er vor 20 Jahren geflohen, erzählt er beim Tee in seinem Arbeitszimmer. Abbas Maroufi, 1957 in Teheran geboren, heute einer der bedeutendsten iranischen Exilschriftsteller, gewann schon mit 18 einen landesweiten Kurzgeschichtenwettbewerb und trat mit 19 dem iranischen Schriftstellerverband bei.

Maroufis Literaturzeitschrift wurde verboten

Aber mit der Islamischen Revolution 1979 – Maroufi hatte gerade angefangen, dramatische Literatur zu studieren – wurde plötzlich jede künstlerische Arbeit, die nicht genau den Vorstellungen der Mullahs entsprach, hochgefährlich. Maroufi gründete 1990 trotzdem die Zeitschrift „Gardun“: eine Publikation über Literatur und Zeitgeist, die auch kritische Töne anklingen ließ. Ein langes Leben war ihr nicht beschert. Bald wurden die Redaktionsräume verwüstet, „Gardun“ verboten und Maroufi der Prozess gemacht. 1996 floh er nach Deutschland.

Er landete im nordrhein-westfälischen Düren. Zunächst im Heinrich-Böll-Haus, einer Schriftstellerresidenz, in der es ihm sehr gut ergangen sei. Aber als sich die Familie – Frau und Töchter waren inzwischen nachgekommen – eine eigene Wohnung suchte, machten sie Bekanntschaft mit dem alltäglichen Rassismus in Deutschland: Sie konnten nur in einem verwahrlosten Stadtteil eine Wohnung finden, lebten dort Tür an Tür mit einer Nachbarin, die Maroufis Frau und Kinder wiederholt tätlich angriff.

Der Neustart in Deutschland war hart

So verständnisvoll der Autor heute auf sein Ankommen in Deutschland zurückblickt: Der Roman, den Maroufi damals im „traurigen Viertel“ von Düren geschrieben hat und der jetzt in der von Ilija Trojanow herausgegebenen Reihe „Weltlese“ neu aufgelegt wurde, zeugt von der Verzweiflung jener Tage. Maroufis Protagonist Madjid, vormals ein kommunistischer Revolutionär, ist an seinem Fremdsein im Exil zerbrochen. In der neuen, trostlosen Gegenwart kann er so wenig Halt finden, dass ihm nicht einmal eine halbwegs stabile Realitätswahrnehmung gelingen will. Madjid übermannen die Erinnerungen – an die Heimat, an die Revolution, an die politischen Wirren, die ihn ins Exil trieben.

Manchmal macht er einen Versuch, mit seiner neuen Umgebung in Berührung zu kommen: Dann erhebt er sich von seinem Bett in der Nervenheilanstalt und schleppt sich durch eine westdeutsche Kleinstadtwüste. Er fühlt sich hinter einer gläsernen Wand: Für all das, was seine Welt, sein Leben, seine Identität ausmachte, finden die Menschen hier oft keine treffenden Worte. Wie soll er sich da mit ihnen verständigen können? „Er hörte den Lärm, das Kirchenläuten, Schritte, war unter Menschen und sah alles, spielte aber nirgendwo eine Rolle. Man hatte eine Glaskuppel um ihn errichtet, damit niemand seine Stimme hörte. Nur manchmal fragte ihn jemand mitleidig: ,Woher kommen Sie?‘ ,Iran.‘ ,Irak. Ja, Saddam Hussein.‘ ,Nicht Irak.‘ Wie sehr es ihn schmerzte. Langsam und laut sagte ich: ,Iran. Iran.‘“

Mythen und Archetypen haucht er neues Leben

Ob er auch einmal daran gedacht habe, zurückzukehren, entgegen aller Vernunft, so wie sein Protagonist Madjid? Abbas Maroufi schüttelt vage den Kopf. Er ist berühmt in Iran, sagt er, und gefährlich für das Regime. Sein Roman „Symphonie der Toten“ von 1989 (auf Deutsch 1998 im Suhrkamp-Verlag erschienen) sei zwar verboten, aber trotzdem eine Million Mal verbreitet worden. Aber er gibt zu: „Einmal habe ich auf Facebook gepostet: ‚Ich will zurückkommen‘. Dann habe ich einen Brief voll blutiger Metaphern erhalten. Absender unbekannt. Ich weiß, was das bedeutet.“

Trotzdem – oder gerade deshalb – bleibt sein Blick gen Iran und in die Vergangenheit gerichtet, zumindest beim Schreiben. Die Figur des Iradsch zum Beispiel, der verlorene Bruder in „Fereydun“, Madjids Gegenüber, sei für ihn die Wiederbegegnung mit einem alten Freund gewesen, der schon lange tot sei. Wie so viele seiner Kameraden. Oft sind sie auch aus seinem Gedächtnis verschwunden, aber wenn er sucht, ist da manchmal wenigstens eine Farbe, ein Geruch, eine Musik ...

Wiederbelebung, darum geht es ihm: Mythen und Archetypen haucht er neues Leben ein und versetzt sie in eine andere historische Gegenwart. Der Roman „Fereydun“ beispielsweise ist die komplexe Wiederaufnahme einer Sage aus dem „Buch der Könige“ von Firdausi – „dem persischen Homer“ aus dem 10. Jahrhundert – und eine Odyssee durch die Weiten des Exil-Schmerzes.

Er glaubt nicht, dass es zur Farah-Diba-Ausstellung kommt

Draußen rauscht der Regen. Als das Gespräch auf die Teheraner Farah-Diba-Sammlung kommt, die eigentlich diesen Monat in der Gemäldegalerie gezeigt werden sollte und die nun wohl im Januar zu sehen sein wird, greift Maroufi nach einem Stück Schokolade und führt mit sanfter Stimme noch einmal seine Wortmächtigkeit vor: „Die iranische Atombombe ist schon explodiert“, erklärt er. In Hiroshima haben sie die Universität ein Jahr geschlossen, in Teheran waren es drei Jahre. Nur wurde die Bombe „Kulturrevolution“ genannt.

Oft sei er an der Rückseite der Teheraner Universität vorbeigelaufen, dort wo die Sammlung der Schah-Witwe unterirdisch lagerte. Ein Massengrab der Kunst sei das da, sagt Maroufi, Symptom der gesellschaftlichen Verstrahlung durch das Regime. Er glaubt nicht, dass es zu der Schau in Berlin kommt, für die noch die Ausfuhrgenehmigung von Präsident Hassan Rohani fehlt. Maroufi würde es jedoch begrüßen, wenn die Meisterwerke auferstehen würden und wieder unter menschlichen Blicken atmen könnten.

Abbas Maroufi: Fereydun hatte drei Söhne. Aus dem Persischen von Susanne Baghestani. Edition Büchergilde, 298 Seiten, 22,50 €.

Am 14. Dezember um 20 Uhr stellt der Autor seinen Roman in der Büchergilde Buchhandlung am Wittenbergplatz vor (Kleiststr. 19 – 21).

Carolin Haentjes

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false