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Foto: Verleih

© dpa

Kultur: Porträt des Malers als junger Mann

Die Filmdokumentation „Georg Baselitz“.

Gleich zu Anfang sagt Elke Baselitz es klipp und klar: Ihrem Mann reiche es nicht, an dritter Stelle der Künstler-Weltrangliste zu stehen, hinter diesem anderen Maler aus Sachsen. Selbst mit 75 Jahren hat Georg Baselitz der Ehrgeiz nicht verlassen, Gerhard Richter zu überflügeln. Und so sieht der Zuschauer immer auch den großartigen Richter-Film von Corinna Belz aus dem Jahr 2011 mit. Kann Regisseurin Evelyn Schels, die Baselitz drei Jahre mit der Kamera begleitete, ihn in seinen Ateliers am Ammersee und in Italien besuchte, die Entstehung einer Riesenskulptur für New York verfolgte, es mit dieser Konkurrenz aufnehmen? Künstlerfilme sind ja ein schwieriges Genre, sie geraten leicht allzu huldigend oder auch einschläfernd.

Evelyn Schels braucht die Konkurrenz nicht zu scheuen. Mit „Georg Baselitz“ ist ihr ein eindrucksvolles Filmporträt gelungen, dank einer packenden Künstlerpersönlichkeit und einer neugierigen, sensiblen Filmemacherin. Behutsam legt Schels den Kern dessen frei, woher die Motive des Malers rühren, der nach dem Rauswurf aus der Ost-Berliner Akademie eher widerwillig im Westen weiterstudierte und sich nach seiner Geburtsstadt nannte. Freimütig erzählt Baselitz von seiner Kindheit in den Nachkriegsjahren, dem schwierigen Verhältnis zum Vater, der NSDAP-Mitglied war, seiner Renitenz und auch dem späteren Gefühl, gegenüber der zurückgelassenen Mutter vieles versäumt zu haben. Zum 50. Geburtstag schickt die Familie dem im Westen längst berühmten Maler ein Album aus der DDR mit Bildern von Baselitz als Bub, seiner Mutter als junger Frau. Nach dem Mauerfall entsteht daraus eine hochemotionale Bilderserie.

Schels tastet sich heran an den Maler und Menschen Baselitz, lässt seine Frau von den kargen Jahren in West-Berlin erzählen, wo sich das junge Paar für 80 Pfennig Stundenlohn mit Brotjobs über Wasser hielt. Und Heimweh hatte: Man sieht alte Aufnahmen vom Schulhaus in Deutsch-Baselitz und Filmdokumente vom zerbombten Dresden. Plötzlich wird klar, warum der junge Künstler kaputte Helden malen musste, warum das brennende Haus in der Hand zu seinem Signet wurde und die monumentalen hölzernen Kopfskulpturen seiner „Dresdner Frauen“ wie geschunden aussehen. Baselitz arbeitet sich ab an der eigenen Geschichte und der seines Landes. Dabei ist er vor allem ein grandioser Maler, der durch die Kopfdrehung seiner Motive seit 1969 die Bedeutung des Dargestellten relativiert und die Aufmerksamkeit auf den Akt des Malens selbst lenkt. Eine „DDR-Psychose“, wie Baselitz’ erster Galerist Benjamin Katz es nennt, mochten viele haben. Baselitz macht große Kunst daraus.

Der Film hat seine stärksten Momente, wenn er den Künstler beobachtet, wie der sich kniend über die am Boden liegenden Riesenformate beugt, mit dem Spatel Farbe aufträgt, abtupft, wegwischt, erneut aufträgt. Eher intuitiv entsteht so ein Porträt seiner Frau, immer wieder wird das Gesicht ausgelöscht, um Schicht für Schicht neu zu entstehen. Am Ende dieses malerischen wie inneren Prozesses steht ein psychogrammatisches Porträt.

Es steckt auch keine Koketterie dahinter, wenn sich der Maler bei jeder Ausstellung zu seiner Unsicherheit bekennt: „Bist du noch da? Lieben dich die Leute? Bist du vielleicht langweilig?“ Den 75-Jährigen treiben Leidenschaft, Ego, Publikum. Und der kleine Junge von einst, der noch immer Primus werden will. Nicola Kuhn

Babylon Kreuzberg, Hackesche Höfe, International, Kant Kino

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