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Porträt: Die Wurzeln der Mango

Schreiben zwischen Privatleben und Politik: Die Berliner Autorin Priya Basil stellt ihren neuen Roman auf dem Internationalen Literaturfestival vor.

Sie holt einen Teller mit Mangoschnitzen aus dem Kühlschrank. Fast entschuldigend sagt sie: „Das sind wohl meine indischen Wurzeln: Ich muss meinen Gästen immer etwas zu essen anbieten!“ Ob man den Unterschied schmecke, fragt Priya Basil, dies sei indische Mango, die sie aus London mitgebracht habe. Indische Mango aus London, die in Berlin gegessen wird – das passt zu der Schriftstellerin: 1977 in London geboren, wuchs sie in Kenia auf und lebt inzwischen in London und Berlin.

Die langen schwarzen Haare offen auf die Schultern fallend, die Zähne weiß wie die Perlenkette um den Hals, barfuß, so empfängt sie den Besuch in ihrer Wohnung in Mitte. Gerade ist Priya Basils zweiter Roman „Die Logik des Herzens“ auf Deutsch erschienen. Zwischen den Schauplätzen London, New York, Nairobi und dem Sudan entflammt eine Liebesgeschichte mit Hindernissen: Lina lernt während ihres Jurastudiums in London den Architekturstudenten Anil kennen; sie Tochter einer herzlichen, aber strengen muslimischen Mittelstandsfamilie in Birmingham, er Sohn reicher Eltern in Nairobi, die Partys für die kenianische High Society schmeißen und den Sikh-Glauben nicht sonderlich ernst nehmen. Es ist Liebe auf den ersten Blick, die auf harte Proben gestellt wird: Nicht nur muss Lina die Beziehung vor ihren Eltern geheim halten, auch begreift sie allmählich – inzwischen ist sie UN-Mitarbeiterin, die sich im Sudan gegen illegalen Waffenhandel einsetzt –, in welche krummen Geschäfte Anils Vater verwickelt ist.

Um die Frage, woran man glaubt, wofür man einsteht und was man bereit ist aufzugeben, seine Prinzipien oder die große Liebe, darum kreist der Roman. „Den Konflikt zwischen unserem Privat- und unserem öffentlichen Leben finde ich spannend, diese Kreuzung von privat und politisch will ich mit meinem Buch erkunden“, sagt die Autorin.

Sie selbst stammt aus einer liberalen Sikh-Familie, wuchs unter Muslimen auf, ging auf eine christliche Schule – und ist Atheistin. „Als ich merkte, dass man sich in dieser Position schnell überlegen fühlt und dass ich Gläubigen gegenüber Vorurteile entwickelt habe, wollte ich darüber ein Buch schreiben: um mehr über religiöse Überzeugungen herauszufinden und sie zu verstehen“, sagt Priya Basil. Besonders nach 9/11 fiel ihr auf, wie harsch der Ton gegenüber dem Islam geworden war: „Die Sprache der Medien war aufgeladen, laut und vorwurfsvoll.“ Mit Scharif, Linas Vater, hat sie eine Figur geschaffen, die zutiefst gläubig ist und die Töchter darum nur mit Muslimen verheiraten möchte – dabei ist Scharif ein rechtschaffener und liebevoller Mann, für den der Leser durchaus Verständnis entwickelt.

Auch wenn der Roman nicht autobiografisch ist, befand sich Priya Basil in einer ähnlichen Situation wie ihre Protagonistin: Ihre Familie lehnte ihren Freund ab, einen Deutschen, zwölf Jahre älter, geschieden. „Auch wenn meine Familie sonst nicht streng ist, da wurden sie plötzlich doch sehr engstirnig und konservativ. Anders als Lina war mir aber immer klar, dass ich mich für meinen Partner entschieden hätte.“ Dabei hoffte sie natürlich, dass ihre Familie einlenken würde – zum Glück tat sie es dann auch.

Basils Partner ist der Grund, dass sie seit mittlerweile zehn Jahren zwischen Berlin und London pendelt. Ist das stressig? „Überhaupt nicht! Ich liebe die zwei Welten und möchte sie so lange wie möglich behalten.“ Ihr Freund hat Priya Basil auch dazu ermutigt, Romane zu schreiben: Weil sie sich in ihrem Job in einer Londoner Werbeagentur nicht wohlfühlte, bot er ihr an, für ein paar Monate zu ihm zu kommen. Sie wolle doch ein Buch schreiben, warum nicht hier in Berlin? Herausgekommen sind ihr viel gelobtes Debüt „Ishq and Mushq“ (etwa „Liebe und Gerüche“, bisher noch nicht auf Deutsch erschienen) – und knapp drei Jahre später „Die Logik des Herzens“.

„Die Situation war ideal zum Schreiben“, sagt Priya Basil. „Ich kannte kaum Leute, sprach kein Deutsch. Jetzt, da ich mich hier eingelebt habe, muss ich mich zum Schreiben mehr disziplinieren.“ Auch wenn ihr Deutsch immer besser wird – über ihr Buch spricht sie lieber auf Englisch, ein schönes klares britisches Englisch, das sie mit Gesten ihrer feingliedrigen Hände untermalt. „Ich weiß, ich sollte mehr deutsch sprechen“, räumt sie ein. „Aber wenn es um den Roman geht, will ich nichts Falsches sagen.“

Beim Internationalen Literaturfestival Berlin (ILB) liest sie auf Englisch, eine Schauspielerin übernimmt den deutschen Part. Außerdem moderiert Priya Basil eine Veranstaltung über die Wirtschaftskrise in Europa. Engagement ist ihr wichtig. 2010 gründete sie Authors for Peace, eine Initiative, mit der sich Schriftsteller weltweit für Frieden einsetzen. In Kooperation mit dem ILB fanden im Frühjahr Lesungen für den chinesischen Regimekritiker Liu Xiaobo und gegen das Assad-Regime statt, kürzlich gab es eine Solidaritätsveranstaltung für Pussy Riot.

Ein neues Authors-for-Peace-Projekt plant Priya Basil momentan nicht. „Engagement hat viel mit Rausgehen und Öffentlichkeit zu tun, Schreiben dagegen mit Rückzug. Und gerade habe ich begonnen, an meinem neuen Buch zu arbeiten.“ Ihr Anliegen spiegelt sich aber auch im Roman, der sich kritisch mit Waffenhandel auseinandersetzt: Wäre Basil gern ein bisschen mehr wie ihre Protagonistin Lina, die sich vor Ort engagiert? „Als Schriftstellerin lebe ich in gewisser Weise das Leben meiner Figuren mit, ich kann also für eine Weile all diese Leute sein. Ich empfinde meinen Beruf als großes Privileg.“ Das politische Bewusstsein entwickelte sie erst, als sie anfing zu schreiben. Sie ist überzeugt, dass Literatur etwas bewirken kann: „Auch wenn das nicht sofort sichtbar ist, wie etwa Schiffsladung mit Hilfsgütern, glaube ich an eine allmähliche Sensibilisierung für gewisse Dinge durch die Literatur.“

Vor kurzem war Priya Basil seit 15 Jahren das erste Mal wieder in Kenia. „Einerseits fühlte ich mich zu Hause, vieles war noch genauso, wie damals, als ich als Kind dort lebte“, sagt sie. „Andererseits hat mich vieles erschreckt, zum Beispiel sind die Sicherheitsmaßnahmen viel drastischer als früher: An jeder Ecke stehen Wachen mit Maschinengewehren, die man passieren muss, nur wenn man jemanden ein paar Häuser weiter besuchen will. Absurd.“ Einiges von diesen Erfahrungen wird in den nächsten Roman einfließen.

Sie sei froh, nicht mehr in Kenia zu leben. In Berlin fühlt sie sich inzwischen zu Hause. „Ich mag die vielfältige Kultur, den Kontrast zwischen Alt und Neu, die entspannte Atmosphäre. Verglichen mit London ist es wirklich ruhig hier. Und ich liebe die Offenheit und Bewegung: Die Stadt hat sich noch nicht entschieden, was sie ist, sie ist noch im Werden.“ Das mache auch Basil selbst offen und wirke inspirierend. Wie viel Berlin in den künftigen Romanprojekten auftauchen wird? „Da bin ich selbst gespannt.“

Priya Basil: Die Logik des Herzens. Schöffling, 488 Seiten, 22,95 €. Aus dem Englischen von Barbara Christ. Lesung auf dem Internationalen Literaturfestival Berlin: 14.9., 19.30 Uhr und 16.9., 11 Uhr, Haus der Berliner Festspiele.

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