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Porträt: K(l)eine Missverständnisse

Der Teheraner Asghar Farhadi ist der Regisseur von "Elly". Christiane Peitz hat ihn getroffen. Eine westöstliche Begegnung.

Ein Iraner im Westen hat es nicht leicht. Ständig wird er nach der Zensur gefragt, nach der Freigabe von "About Elly" zum Beispiel. Lange war nicht klar, ob Asghar Farhadis Film in Berlin gezeigt werden kann. Auf der Pressekonferenz geht der 36-jährige Regisseur auf die Frage zunächst nicht ein. Beim zweiten Versuch spricht er über den Rhythmus der Reise im Film, nicht über die Reise des Films nach Berlin - lost in translation, beim Transfer zwischen Deutsch, Englisch und Farsi? Erst beim dritten Mal antwortet Farhadi - und freut sich, dass "About Elly" am Morgen in Berlin und am Abend in Teheran Premiere feiert.

Manchmal sind die Missverständnisse praktischer Natur. Farhadi sitzt mittlerweile in der Bärenlounge des Berlinale-Palasts, ein kleiner zuvorkommender Mann in Jeans und grüner Cordjacke. Ein paar Meter weiter werden die wunderschönen Schauspielerinnen aus "About Elly" von TV-Kameras belagert, allen voran Golshifteh Farahani, ein Star im Iran. Letztes Jahr wurde der 25-Jährigen die Reise nach Los Angeles verwehrt. Bei der New Yorker Premiere des US-Thrillers "Der Mann, der niemals lebte", in dem sie eine Krankenschwester spielte, trat sie hingegen auf, ohne Tschador. In Berlin trägt sie ein bezauberndes, in Rottönen leuchtendes Tuch locker über dem Haar.

"Das ist doch die Geschichte meiner Tochter"

Missverständnisse, Befangenheiten. Da dreht einer einen mutigen, die Teheraner Mittelschicht in ihrer Zerrissenheit zwischen Tradition und Moderne offenherzig porträtierenden Film. Da versteht sich einer weniger als Philosoph und Methaphoriker wie die großen Meister Kiarostami und Makhmalbaf, sondern als Geschichtenerzähler von der iranischen Gegenwart, vom Alltag, den Familien, den Frauen, den Generationen. Und unsereins achtet darauf, wie fest das Kopftuch sitzt. Unsereins fällt gleich auf, dass der Titelvorspann mit der Zeile "Im Namen Allahs" beginnt. Das sei normal für iranische Filme, erläutert Farhadi, "aber ich mache es auch gern, es gefällt mir." Wahrheit oder Taktik? Am wenigsten mag man in diesem Moment das eigene Misstrauen. Der Lichtschlitz zu Beginn des Films ist übrigens kein Briefkasten an der Haustür, sondern ein Bittstock. Wer im Iran auf Reisen geht, spendet Geld, damit unterwegs keine Gefahr droht. "Nicht-Iraner", lacht der Regisseur, "müssen unsere Filme vielleicht zweimal sehen."

Er wollte keine iranischen Musterfamilien zeigen. "Meine Aufgabe als Filmemacher besteht darin, mich von solchen Begrenzungen zu befreien." Gerade das Untypische sorgt für den Wiedererkennungseffekt. Farhadis letzter Film "Fireworks Wednesday" beginnt mit einer Mopedfahrt, bei dem sich der wehende Tschador der Mitfahrerin in den Speichen verheddert. Als der Film über diese junge Frau, die bei ihrem Putzjob in ein veritables Teheranier Familienchaos gerät, in Frankreich lief, sagte eine ältere Dame zu Farhadi: "Das ist doch die Geschichte meiner Tochter."

"Ich bin kein Nationalist"

Ein Interview unter den Bedingungen der Zensur, das geht eigentlich gar nicht. Man beschämt einander zwangsläufig. Farhadi ist klug, er betont die Gemeinsamkeiten. "Politiker berufen sich auf Differenzen, wir Künstler sollten uns auf die Ähnlichkeiten besinnen": zwischen den Nationen, den Kulturen. Farhadi hat Theaterwissenschaft studiert, befasste sich mit Ibsen, schrieb Drehbücher für TV-Familienserien. " ,About Elly' ist wie ein Theaterstück." Ibsen in Iran: Das Ferienhaus im Film funktioniert wie eine Druckkammer, die Unglück und Lügen zutage fördert.

Beim Drehen hat Farhadi die Ken-Loach-Methode angewandt und den Schauspielern das Drehbuch nicht gezeigt. Er will die Spontanität, die unmittelbare Reaktion, den Zauber des ersten Takes. "Die Scharade der Freunde zum Beispiel, das war ein echtes Ratespiel." Letzte Frage, wenigstens vorsichtig politisch: Was hofft er für den Iran? "Ich bin kein Nationalist, der sich nur um das eigene Land Sorgen macht und die anderen vergisst. Diese Radikalisierung des Denkens mag ich nicht." Asghar Farhadi sagt es mit großer Freundlichkeit. Früher, fügt er hinzu, sei das Kino mehr als heute zum Träumen gewesen. Er will ein Kino zum Nachdenken machen.

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