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Porträt: Stanislaw Lem

Mit Stanislaw Lem hat die Literatur einen "Klassiker" des Science-Fiction-Genres verloren.

Warschau/Krakau - Der am Montag im südpolnischen Krakau (Krakow) im Alter von 84 Jahren nach längerer Krankheit gestorbene Schriftsteller galt als Vordenker technischer Entwicklungen, die in seinen Romanen noch Zukunftsvision waren, inzwischen aber Wirklichkeit sind - vom Internet über die Genforschung bis hin zur «künstlichen Intelligenz». Wie bei Jules Vernes, dessen Bücher er als Junge liebte, waren Lems Werke stets auch eine Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Grenzen der Technik und ihres Einflusses auf den Menschen.

Eigentlich sollte der im heute ukrainischen Lviv (Lwow/Lemberg) geborene Lem die Familientradition fortsetzen und Arzt werden. Sein Medizinstudium wurde jedoch vom Zweiten Weltkrieg unterbrochen, als die Nazis nach dem Einfall in Polen die Hochschulen schlossen. Lem, der mit gefälschten Papieren seine jüdische Herkunft verschleiern konnte, schlug sich als Automechaniker durch. Nach dem Krieg nahm er das Medizinstudium zwar wieder auf und arbeitete auch für kurze Zeit als Arzt, doch schon seit Beginn der 50er Jahre war Lem freier Schriftsteller.

Zu Weltruhm gelangte er aber als Meister der Science-fiction-Literatur. Seine Romane wie «Solaris», «Eden» oder «Der Unbesiegbare» wurden in 41 Sprachen übersetzt und erschienen in eine Auflage von insgesamt 27 Millionen Exemplaren.

In Deutschland, wo der Autor außerhalb Polens seine meisten Leser hatte, galt er auch als Philosoph und Zukunftsvisionär. In seiner Heimat schätzten die Leser besonders den zuweilen grotesken Humor, der vor allem in den frühen Werken Lems eine Flucht vor der Realität darstellt. «Die meisten meiner Bücher wurden während des Kommunismus geschrieben, und ich musste mich mit der Zensur auseinander setzen», sagte Lem einmal in einem Interview. «Ich habe den Totalitarismus nie geliebt und die Idee, die Menschheit glücklich zu machen, erschien mir verrückt. Ich habe versucht, ihre Absurdität zu zeigen.»

Dennoch habe in seinen frühen Werken der optimistische Glaube an die Fähigkeiten des Menschen dominiert. Später trat an die Stelle des einstigen Fortschrittglaubens Skepsis des Autors, der außer seinem Medizinstudium umfangreiche naturwissenschaftliche Bildung besaß. «Ich habe nicht vorhergesehen, dass die Wissenschaft fast vollständig dem Kommerz untergeordnet wird», räumte Lem einmal ein. Die meisten Gelehrten arbeiteten nicht aus dem Gefühl der Berufung heraus, sondern mit dem Ziel des Nobelpreises, und am besten würden Forschungen zu neuen Waffen bezahlt.

«Menschen sind schrecklich und die Zukunft düster», sagte Lem bereits vor fast zehn Jahren über das Leitmotiv seines literarischen Werkes. An eine andere Menschheit, früher sein größter Traum, glaube er nicht mehr. (Von Eva Krafczyk, dpa)

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