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Christian Meyers „Satirische Allegorie der Freien Künste“

© Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum, Fotostudio Bartsch

Porzellanplastik des 18. Jahrhunderts: Königlich preußisch

Keine Gebrauchsgegenstände, sondern purer Luxus: Das Kunstgewerbemuseum zeigt Berliner Porzellanplastik des 18. Jahrhunderts und legt einen umfassenden Bestandskatalog vor.

Dem Bildhauer ist der Meißel zu Boden geglitten. Mit glasigen Augen schaut er auf die Opiumschale in seiner Hand. Die gertenschlanke nackte Frau neben ihm könnte das Aktmodell des benebelten Künstlers sein. Neckisch verbirgt sie ihr Gesicht hinter einer Theatermaske, während sie leichtfüßig auf einer goldenen Kugel balanciert, als sei sie die Glücksgöttin Fortuna persönlich. Tatsächlich tritt sie hier als Allegorie der Bildhauerkunst auf. Dezent hält sie einen prallen Geldbeutel in der Hand: Lässt sich mit der Bildhauerkunst womöglich doch Geld verdienen? Das Vorbild der Antike allerdings tritt sie in Gestalt eines muskulösen Männertorsos leichthin mit Füßen. Verlockender als dessen sprödes Marmorweiß schimmert das zarte Rosa ihrer Brüste. Porzellanhaut, buchstäblich! Die ganze Figurengruppe ist nur 30 Zentimeter hoch und ein Meisterstück der Berliner Porzellanplastik des 18. Jahrhunderts.

Mit Bravour und scharfer Ironie hat der Bildhauer Wilhelm Christian Meyer hier seine eigene Profession persifliert und deren hehre Ideale mit der Wirklichkeit abgeglichen. Die Porzellanskulptur gehört zu einer ganzen Serie ironischer Allegorien der Freien Künste, eine witziger als die andere. Jede der zierlichen Figurengruppen schraubt sich als perfekte Komposition aus Gesten und Posen in den Raum und ist gespickt mit witzigen Details. Dies alles zu entschlüsseln, braucht es Scharfblick und Geduld.

Zwischen Rokoko und Klassizismus

In einem mehrjährigen Forschungsprojekt hat sich die Kunsthistorikerin Dorothee Heim über die fragilen Figuren aus dem Bestand des Kunstgewerbemuseums gebeugt. Das Ergebnis liegt jetzt als dickleibiger Bestandskatalog zur Berliner Porzellanplastik zwischen 1751 und 1825 vor. Er zeigt die Objekte liebevoll fotografiert und eingehend analysiert, echte Grundlagenforschung. Wären die Skulpturen lebensgroß, sie würden ganze Säle füllen. So genügen ein knappes Dutzend Vitrinen in der Rokokoabteilung. Die rund 150 Skulpturen bieten einen exzellenten Querschnitt, was zwischen Rokoko und Klassizismus in Berlin an figürlichem Porzellan aus den Brennöfen kam. Zwei Drittel des Vorkriegsbestands wurden im Krieg zerdeppert oder sind verschollen.

Ohne den Porzellannarr Friedrich den Großen wäre die Produktion des weißen Goldes an der Spree nicht so glorios in Gang gekommen. Allerdings fußte das 1763 gegründete Staatsunternehmen Königliche Porzellan-Manufaktur (KPM) auf zwei privaten Firmen. Darin eiferten die Unternehmer Wegely und Gotzkowsky der Manufaktur Meißen nach. Wie heikel die Verarbeitung des Werkstoffs Porzellan ist, erklärt die Ausstellung Schritt für Schritt anhand von Arbeitsproben, Gussformen und Rohplastiken. Vom ersten Tonmodell über das Zusammensetzen Dutzender Einzelteile bis hin zu Glasur und Hochtemperaturbrand bei 1450 Grad, bei jedem Schritt konnte etwas schiefgehen. Für aufwendige Aufträge fertigte man daher stets mehrere Versionen, insbesondere wenn es um hochrangige Staatsgeschenke ging. Einen vielteiligen Tafelaufsatz etwa ließ Friedrich der Große für Katharina die Große fertigen. Hohe Politik im Medium Porzellan.

Friedrich Elias Meyer als Pionier

Die Modellmeister verstanden sich als veritable Bildhauer und waren es auch. Eine Pionierrolle spielte Friedrich Elias Meyer, der aus Meißen nach Berlin übersiedelte und von dort perfektes Know-how mitbrachte. Sein jüngerer Bruder Wilhelm Christian Meyer steuerte als freier Mitarbeiter Innovationsfreude bei. Später lieferte auch der berühmte Johann Gottfried Schadow Entwürfe. Seinem ernsten Flussgott geht alle Leichtigkeit des Rokoko ab, dafür verkörpert er die stille Einfalt und Größe um 1800 in Reinkultur. Weiß muss es nun sein, selbst bei den Porträtbüsten. Deren Details allerdings wurden so präzise ausgearbeitet, dass es keine Bemalung mehr braucht.

Ihren aristokratischen Besitzern dienten die kostbaren Porzellanfiguren oft als Tischschmuck. Zwischen Tellern und Terrinen lieferten sie Anlass zu klug-amüsanten Gesprächen: Keine Gebrauchskeramik, sondern purer Luxus.

Kunstgewerbemuseum, Matthäikirchplatz, bis 29. 1., Di–Fr 10–18 Uhr, Sa/So 11–18 Uhr, Bestandskatalog 86 €

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