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Streitobjekt. Jean-Antoine Watteaus Ölgemälde "Einschiffung nach Kythera" (1718) hängt im Schloss Charlottenburg, Berlin.

© Wikimedia Commons / Rainer Zenz

Posse um Watteau-Gemälde: Kunst ohne Quittung

Hat das Haus Hohenzollern dem deutschen Staat dasselbe Gemälde zwei Mal verkauft? 1983 wurden 15 Millionen DM gezahlt, jetzt taucht dazu ein Vertrag von 1926 auf.

Blinder Eifer schadet nur. Und bevor Georg Friedrich Prinz von Preußen, Urenkel des letzten deutschen Kaisers und „Chef des Hauses Hohenzollern“, gegen ein Buch über das Berliner Schloss vor Gericht zog, hätte er sich kundig machen sollen, dass zwar ein Einzelner Persönlichkeitsrecht genießt, nicht aber „das Haus Hohenzollern“.

Der Schloss-Experte Guido Hinterkeuser behauptet in seinem Buch „Das Berliner Schloss. Die erhaltene Innenausstattung“, dass Antoine Watteaus Gemälde „Einschiffung nach Kythera“ (1718) bereits 1926 vom preußischen Staat für 1,8 Millionen Reichsmark erworben wurde. Dies erfolgte im Zuge der langwierigen „Fürstenauseinandersetzung“, bei der das Versäumnis der Revolution von 1918/19 und der neugebildeten Weimarer Republik, die Besitztümer der regierenden Fürstenhäuser in öffentliches Eigentum zu überführen, auf dem Vertragswege behoben werden sollte.

Nun ist Watteaus Meisterwerk 1983 erneut an den Staat verkauft worden, für 15 Millionen D-Mark, zu je einem Drittel von Bund, Land und einem eigens gebildeten Förderkreis aufgebracht. Den Makel eines Doppelverkaufs will der Preußenprinz nicht auf seinem „Hause“ sitzen lassen. Doch vor dem Berliner Landgericht gab’s eine krachende Niederlage. In dem – noch nicht rechtskräftigen – Urteil wird die Unterlassungsklage des Prinzen als „unbegründet“ zurückgewiesen.

Eine Entscheidung zum Doppelverkauf stand nicht an, doch ließ der Vorsitzende Richter erkennen, dass er das von Hinterkeuser gefundene Dokument zum Kaufvertrag von 1926 für hinreichend hält. Dabei handelt es sich um ein Schreiben des Preußischen Finanzministeriums von 1928, das den Kauf des Watteau-Gemäldes und weiterer Kunstgegenstände dokumentiert, jedoch keine Quittung über eine erfolgte Zahlung enthält – weshalb die prinzlichen Anwälte das Schriftstück als bloßen „Entwurf“ abqualifizieren. Dagegen spricht jedoch schon die von Hohenzollern-Seite nie angefochtene Praxis, das Gemälde wie auch die weiteren Objekte ab 1928 als Eigentum des Preußischen Staates auszuweisen und zu behandeln. Erhalten hatte sich das Dokument in Akten der Alten Nationalgalerie, also durchaus nicht an entlegener Stelle.

Wem gehört das Bild?

Klagen nun die Staatlichen Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg als Besitzer der Bildes auf Rückerstattung des Kaufpreises von 1983? Und wem gehörte dann das Bild? Der Schlösserverwaltung, dem Land Berlin – nach dem „Belegenheitsprinzip“ – oder der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, analog zur Eigentumsregelung für die ehemals Preußischen Museen?

Zunächst herrscht betretenes Schweigen. Bis zum Jahresende wollen sowohl Schlösserverwaltung als auch Freundeskreis den Vorgang „prüfen“. Dass es ausgerechnet der ehemalige Generaldirektor der Preußischen Schlösser war, der 1950 aus seiner „bestimmten Erinnerung“ heraus angab, das Gemälde sei weiterhin Eigentum der Hohenzollern, wirft kein gutes Licht auf den Kenntnisstand der Verwaltung. 1983 waren die Hohenzollern, die mit dem Abzug ihrer vermeintlichen Leihgabe aus Schloss Charlottenburg und deren Verkauf drohten, ebenso wie die aufgeschreckte Öffentlichkeit in gutem Glauben, das Bild sei weiter Privateigentum. Niemand, am wenigsten Autor Hinterkeuser, wirft den Erben eine vorsätzliche Täuschung vor. Es ist halt passiert.

Und es ist die List der Geschichte, dass ausgerechnet dieser Ankauf, der sich nun womöglich als irrtümlich erweist, den Anstoß gab zu einem wesentlich geschärften Bewusstsein der bundesdeutschen Politik und Öffentlichkeit für drohende Verluste national wertvollen Kulturguts. Die wichtigste Folge dieses Umdenkens ist die Kulturstiftung der Länder. Durch sie sind in den vergangenen knapp 25 Jahren zahllose Objekte, die seitens privater Eigentümer zum Verkauf standen, bewahrt und in öffentliche Sammlungen überführt worden. Dabei spielt Diskretion fast immer eine große Rolle. Dies mag im Falle Watteau vielleicht erneut zur Anwendung kommen. Wichtiger jedoch ist die Erkenntnis, dass Archive kein Altpapier horten, sondern Dokumente, die zu lesen auch nach Jahrzehnten noch lohnt.

Bernhard Schulz

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