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Der chinesische Journalist und Blogger Michael Anti

© dpa

Potsdam: Vom Suchen und Finden von Menschen, die etwas verändern wollen

Preis für den chinesischen Blogger Michael Anti setzt ein weiteres Zeichen für den Bedarf an Aufklärung.

Von Anna Sauerbrey

Der chinesische Journalist und Blogger Michael Anti erhält in diesem Jahr den Medienpreis des M100-Sanssouci-Colloquiums, der am Donnerstagabend in Potsdam verliehen wurde. Im letzten Jahr ging der Preis an den dänischen Mohammed-Karikaturisten Kurt Westergaard, eine Auszeichnung, die viel Aufmerksamkeit erhielt, auch weil Angela Merkel demonstrativ der Preisverleihung beiwohnte.

In diesem Jahr also Michael Anti, ein Freund des Dissidenten und Nobelpreisträgers Liu Xiaobo. Gegen den zeichnerischen Haudegen Westergaard wirkt Anti sanft. Besser passt sein Geburtsname, Zhao Jing. Jing, das bedeutet „leise sein“. Der 1975 geborene Jing legt ihn Ende der 90er Jahre ab, als die ersten Internetcafés auftauchen. Im Web liest er Berichte von Dissidenten über das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens, auch die seines späteren Freundes Liu Xiaobo. Eine Erfahrung, die den bis dahin angepassten jungen Ingenieur verändert. „Ich war ein sehr wütender junger Mann damals“, sagt er. „Deshalb nannte ich mich Anti.“ Sein neuer Vorname wird Michael, nach Michael Jackson.

Anti beginnt, politische Kommentare zu schreiben und wird Journalist bei der Pekinger Tageszeitung „Hua Xia Times“. Er lernt Liu Xiaobo kennen und macht Karriere in den expandierenden chinesischen Medien. Nachdem seine Zeitung 2003 geschlossen wird – Anti ist gerade als Reporter im Irak – arbeitet er für die „New York Times“ und startet sein Blog. Das ist bald so beliebt, dass Microsoft es auf Druck der chinesischen Behörden vom Netz nimmt. Schlagartig wird Anti auch international bekannt und bekommt aufgrund des öffentlichen Drucks sein Blog zurück.

Heute publiziert Anti vor allem über das amerikanische Twitter. Anders als viele arabische Staaten hat China früh gelernt, das Netz zu kontrollieren, sagt Anti am Rand der M100-Konferenz. Für alle im Westen beliebten Dienste – Youtube, Twitter oder Facebook – gibt es chinesische Kopien, deren Server im Land stehen und die daher leicht zu kontrollieren sind. Anti überwindet die Firewalls mit spezieller Software. An einen baldigen Umsturz glaubt er nicht. Die Revolutionen in der arabischen Welt seien durch Armut verursacht worden. Die Mittelschicht in China hingegen habe viel zu verlieren, würde sie sich an einer Revolution beteiligen.

Anti ist vorsichtig. Es sei wichtig, nicht zu viele Mächtige gleichzeitig zu attackieren. „Ich gehe ein Risiko ein, aber jeweils nur eines.“ Anti ist kein Ideologe, fordert nicht den Umsturz, sondern prangert einzelne Probleme und Fälle von Korruption an, arbeitet langsam, stetig und mühsam an den Problemen der chinesischen Gesellschaft. Das sei der Grund, warum er, anders als etwa Ai Weiwei, bisher keine persönlichen Repressionen erlebt hat. „Aber was in Zukunft ist, kann man nie wissen“, sagt Anti und lächelt sein leises Lächeln. Anna Sauerbrey

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