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Kultur: "Powder her face": Teddybärendienst

Zwanzig Jahre ist sie nun alt, die Berliner Kammeroper und damit in ein kritisches Alter eingetreten. Jugendliche Heldentaten verblassen, auch wenn Brynmor Jones, der künstlerische Leiter und Dirigent, stolz betont, man habe Cavalli noch vor René Jacobs in Berlin gespielt.

Zwanzig Jahre ist sie nun alt, die Berliner Kammeroper und damit in ein kritisches Alter eingetreten. Jugendliche Heldentaten verblassen, auch wenn Brynmor Jones, der künstlerische Leiter und Dirigent, stolz betont, man habe Cavalli noch vor René Jacobs in Berlin gespielt. Doch wer will sich daran noch erinnern? Auch sind überall Konkurrenten erwachsen - von den großen Operndampfern, die ihre Spielpläne erweitert haben bis hin zu freien Gruppen wie der Zeitgenössischen Oper Berlin. So kann man es als wackere Vorwärtsverteidigung betrachten, wenn die Kammeroper zum Jubiläum nun Thomas Adès "Powder Her Face" (deutsch "Ihre letzte Maske") auf die Bühne des Hebbel-Theaters stellt. Ein britisches Kolportage-Stück von ätzendem Humor, bigott und dabei doch von echter Tragik. Vor dem biografischen Hintergrund der Salonkönigin Margaret von Argyll erzählt der Komponist die Geschichte einer Herzogin, die den Mund gerne recht voll nahm: von Champagner und von praller Männlichkeit. Letzterer Akt wurde auf Polaroid festgehalten. Und das England der Sechziger tobte. Wie die Musik von Adès, ein schäumender Mix aus Astor Piazzollas Bandoneon, Cole Porters Songs, Strawinsky, Mahler, Schubert, Wagner und anderen Zutaten. Dazu ein scharfzüngiges Libretto, das Voyeure anfüttert und zugleich entlarvt, die Herzogin als Rassistin aus Langeweile outet und doch am Ende Sympathie für die Stürzende findet. In erlesen falschen Tönen, lustvoll abreißenden Traditionslinien findet Adès unter Puder und Intrigen zuletzt etwas wie Menschlichkeit - ganz ohne jeden Biedersinn. Keine Frage: "Powder Her Face" ist ein Hit.

Nur weiß die Berliner Kammeroper nichts mit der perfekt montierten Szenenfolge anzufangen. Während die musikalische Dramaturgie Schnitte und Blenden en gros bereit hält, herrscht auf der Bühne ein statuarisches Grau vor. Regisseur Philip Curtis greift ganz weit zurück in die inszenatorische Grabbelkiste, verdoppelt die Herzogin hilflos mit einer Schauspielerin, die ab und an beleidigt in Teddy-Bären wühlt. Ansonsten ist Rumstehen angesagt, was etwa so anregend wirkt wie eine Stehparty ohne Drinks. Schade, das durchweg stimmige Ensemble hätte mehr Zuneigung verdient. Zumal es dem von Jones fett gerührten Sound der Kopenhagener Athelas Sinfonetta so mutig zu trotzen weiß.

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