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Kultur: Präriesänger

Zum 70. Geburtstag des Komponisten Terry Riley

Von Gregor Dotzauer

Die heilige Dreifaltigkeit der amerikanischen Minimal Music hat in ihm ihren originellsten Kopf. Steve Reich verkompliziert seine Patterns nur immer weiter. Philipp Glass ist ein Opfer seines Stils geworden. Terry Riley aber versucht bis heute, den eigenen Klischees zu entkommen. So hat sein Werk eine ungewöhnliche stilistische Breite bekommen. Für Riley gilt abgewandelt, was Adorno in seiner „Philosophie der neuen Musik“ über Alban Berg schrieb: Er versuche, mit Hilfe der Zwölftontechnik zu komponieren, als würde er es ohne sie tun. Vor allem Rileys Streichquartette, regelmäßig geschrieben für das Kronos Quartet, haben eine Weite und Ausdruckskraft, die alle Melodie- und Rhythmusmodule transzendiert. Und um Spiritualität geht es Riley, in dessen Stücken indische Ragas mit mittelalterlichen Skalen und uramerikanischen Einflüssen von Charles Ives bis Aaron Copland zusammenfließen. Eines seiner schönsten Quartette, das 1984 in Darmstadt uraufgeführte „Cadenza On The Night Plain“, trägt den atmosphärischen Zauber schon im Titel: Draußen, mitten in der Prärie, müsste man diese Musik hören: den „Night Cry of Black Buffalo Woman“, das Wehklagen der schwarzen Büffelfrau, oder den „March of The Old Timers Reefer Division“, ein Stelldichein alter Kiffer.

Riley ist bis heute fest verankert in der amerikanischen Gegenkultur der Sechzigerjahre – einer Szene, der auch der wichtigste Geburtshelfer seiner Musik, der fast gleichaltrige Saxofonist La Monte Young, entstammt: Er feiert am 14. Oktober 70. Geburtstag. Mit seinen Experimenten, die manchmal nur die Obertöne einer einzigen Note ausloten, inspirierte er Riley zu komplexeren Verbindungen – und 1964 zu „In C“, der berühmtesten Minimal-Komposition überhaupt. Die verschiedenen Aufnahmen, von Rileys Orgelversion bis zur Fassung des Ensembles Bang on a Can, lassen sich gar nicht mehr zählen – auch wenn „In C“ aus heutiger Sicht eher zu den einlullenden Stücken gehört, die an manch rein therapeutische Heilklänge erinnern. Young ist auch Schuld an Rileys Passion für mathematisch begründbare, aber mitnichten wohltemperierte Stimmungen, von denen etwa das am Bösendorfer improvisierte Soloalbum „The Harp of New Albion“ mit flirrenden Obertonreihen zeugt.

Sein Pioniergeist hat Riley ökonomisch weniger gebracht als vielen stipendienverwöhnten Kollegen. An Bewunderern und Schülern quer durch alle musikalischen Genres herrscht jedoch kein Mangel. John Cale, mit dem er die „Church of Anthrax“ aufnahm, zählt zu ihnen wie der Jazztrompeter Don Cherry oder der deutsche Komponist Peter Michael Hamel. Sie alle werden heute ein paar Schwingungen in Richtung seiner Sri Moonshine Ranch in Camptonville, Kalifornien, senden, und es wäre ein Wunder, wenn er davon nichts mitbekommen würde.

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