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Preisverleihung: Goldbärs kleiner Bruder

Er war der erste und bleibt der wichtigste schwul-lesbische Filmpreis: der Teddy. Heute wird er zum 25. Mal verliehen. Erfunden hat ihn Panorama-Chef Wieland Speck zusammen mit Manfred Salzgeber.

Die Teddy-Verleihung? Da brauche man gar nicht lange zu reden, findet Romy Haag. „Das ist der wichtigste Gay-Award weltweit, da kann Berlin stolz drauf sein.“ Für sie persönlich habe er genau denselben Stellenwert wie der Goldene Bär. „Ich war bei der Verleihung sehr gerührt.“ Bekommen hat die seit 50 Jahren in Film, Showgeschäft und Clubszene tätige Kulttranssexuelle den Teddy 1997 für ihr Lebenswerk. Zu ihrem eigenen Erstaunen. „Die dachten wohl, ich kratz’ schon ab.“ Mitnichten. Am heutigen Freitag tritt die Sängerin als Showgast bei der Jubiläumsgala des queeren Filmpreises in der Haupthalle des Flughafens Tempelhof auf. Und zwar mit dem Song „Helden“, den sie einst mit ihrem Liebsten David Bowie geschrieben hat. Oder der mit ihr.

Ob der Teddy ihre eh schon fortgeschrittene Karriere befördert hat? „Weniger“, sagt die gebürtige Holländerin mit dem kehligen Akzent, „aber die von anderen Künstlern auf jeden Fall“. Und überhaupt sei der schwul-lesbische Filmpreis wichtiger als je zuvor, stellt Romy Haag kämpferisch fest. „Wir leben in einer unfreien Gesellschaft mit Medien, die nur intolerante Klischees vorzeigen.“ Wusch, da fliegt die Federboa weg. Denn bei allem glitzernden Dragstar-Appeal, der die Teddy-Gala zur lässigsten Berlinale-Party und ihre TV- Aufzeichnung zur beliebtesten Berlinale- Sendung macht, ist das jährliche Gipfeltreffen queerer Film- und Festivalmacher aus aller Welt natürlich eine ebenso politische wie künstlerische Veranstaltung.

Der Teddy war der erste Preis für Pedro Almodóvar - er freute sich wie verrückt

„Ein gefühltes halbes Jahrhundert schon“, seufzt Teddy-Vater Wieland Speck amüsiert. Der Filmemacher arbeitete seit 1982 als Assistent des 1994 verstorbenen Filmemachers und Filmverleihers Manfred Salzgeber bei der Berlinale und ist seit 1992 dessen Nachfolger als Chef der Sektion Panorama. Die beiden Schwulenaktivisten haben den Teddy Award, der seit 1992 offiziell zum Filmfest gehört, 1987 erfunden.

„Die Idee war, Öffentlichkeit für queere Filme zu schaffen“, sagt Speck. Raus aus der Subkulturecke, rein in den Mainstreammarkt plus weltweiter Vernetzung lesbischer, schwuler, transsexueller Filmleute. Eine Emanzipations-, Solidaritäts- und Marketingmaßnahme in einem.

Hat gut geklappt. Kein Festival zeigt mehr queere Filme als die Berlinale. Und der Teddy ist in der Filmbranche längst nicht nur bei Homos gut angesehen. Rund 40 Beiträge buhlen diesmal um die – neben dem Special-Teddy für den südafrikanischen Aidsaktivisten Pieter-Dirk Uys – verliehenen Preise in den Kategorien Spielfilm, Dokumentar/Essayfilm, Kurzfilm. Und der letztjährige Teddy-Gewinner „The Kids Are All Right“, eine Lesbenfamilienkomödie von Lisa Cholodenko, ist gar für die Oscars nominiert.

Panorama-Chef
Panorama-Chef

© picture alliance / dpa

Das hatten wir schon öfter, winkt Wieland Speck ab. Sicher habe der Preis einen Anteil an den Karrieren von Regisseuren und Schauspielern, sagt er. „Der Teddy bedeutet Aufmerksamkeit, Zuneigung, Stärkung, Wertschätzung – oft auch für Leute, die gewöhnt sind, nicht wertgeschätzt zu werden.“ Noch nicht, kann man bei vielen von ihnen sagen. 1987 gingen die ersten Teddys an die damals noch völlig unbekannten Regisseure Gus Van Sant und Pedro Almodóvar, in dessen Preisträgerfilm „Das Gesetz der Begierde“ der so gut wie unbekannte Antonio Banderas mitspielte. Und später drängelten sich illustre Namen wie Derek Jarman, Tilda Swinton, Barbara Hammer, Nan Goldin, François Ozon, Todd Haynes, Heiner Carow, Rosa von Praunheim, Helmut Berger, Werner Schroeter oder John Hurt auf der Gewinnerliste. Almodóvar habe sich wie verrückt gefreut, erzählt Wieland Speck, „es war sein erster Preis überhaupt“.

Damals war der Teddy, der seinen Namen in Anlehnung an den großen Bruder Goldener Bär und das Erkennungszeichen der Schwulenszene der Siebziger – einen an Rucksack oder Hose getragenen Minibär – bekam, noch ein kleiner Plüschbär. Wieland Speck zeigt auf seine oben auf dem Schrank im Panorama-Büro am Potsdamer Platz hockende Bärenfamilie.

"The Kids Are All Right" gewann im letzten Jahr - jetzt ist er für den Oscar nominiert

„Die habe ich immer bei Wertheim am Ku’damm gekauft.“ Die Non-Profit-Veranstaltung Teddy Award litt damals wie heute unter Geldnot. Und den von Ralf König entworfenen Bronze-Teddy, der feist auf einem Pflasterstein hockt, gibt es erst seit 1996. Ein überraschend gewichtiges, zweieinhalb Kilo schweres Ding.

Zur Jubelparty haben wieder Künstler den Teddy beschenkt. Die französischen Kitschgötter Pierre et Gilles mischen sich heute unter die 3000 erwarteten Galagäste. „1000 Küsse“ und ein schicker Pin-up-Boy grüßen von ihrem bonbonbunten Teddy-Plakat. Für Lesben gibt’s da gar nichts drauf zu gucken. Die seien aber dieses Jahr endlich mal ganz groß bei den Filmen vertreten und überhaupt derzeit in der queeren Filmszene viel kreativer, versichert Wieland Speck.

Wie es um das Leben der queeren Minderheit überall auf der Welt so bestellt ist, lässt sich jedes Jahr an den Teddy-Neuzugängen ablesen. Diesmal kommen sie aus Südkorea, Litauen und Libanon. Und nicht immer sind sie Zeichen der Hoffnung. Solange Homosexuelle überall auf der Welt mies behandelt oder gar ermordet werden, braucht es den Teddy Award, finden die Aktivisten vom Förderverein. Der Filmpreis kämpft in allem Partytrubel unermüdlich gegen Homophobie und Gewalt. „Akzeptanz-Bär“ nennen Dieter Kosslick und Klaus Wowereit den Teddy. Und Speck stellt beim Erinnern fest, dass die Gänsehautmomente, die er bei den Preisverleihungen erlebt, eigentlich vor allem eins sind: Augenblicke selbstbewussten Andersseins. „In keiner anderen Stadt vorstellbar als hier in Berlin.“

Teddy Jubiläumsgala, Flughafen Tempelhof, 18.2., 21 Uhr; Arte, 20.2., 23.50 Uhr

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