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Revolution! Nachdem Hannah Ministerpräsidentin wird, krempelt sie alle Ministerien um.

© Atze Musiktheater

Premiere im Atze Musiktheater: Was, wenn Kinder regieren könnten?

In „Die Ministerpräsidentin“ macht das Atze Musiktheater eine Zwölfjährige zur Regierungschefin. Das unterhaltsame Stück übt Kritik am Medien- und Politikbetrieb - allerdings wenig differenziert.

Ein absurder Gedanke zunächst, so muss das auch den jungen Zuschauern erscheinen. Ein Kind als Ministerpräsidentin? An der Spitze des norwegischen Staates? Doch im neuen Stück des Atze Musiktheaters, das am Samstag Premiere feierte, wird das Unmögliche möglich. Die neu gegründete Partei „Stimme der Zukunft“ will die zwölfjährige Hannah Frederiksen zur Ministerpräsidentin machen. Gemanagt wird sie dabei von ihrem eigenen Vater. Die Bevölkerung springt tatsächlich darauf an – denn Hannah sagt stets offen, was sie denkt und wird auf diese Weise zum Liebling der Presse.

"Die Reichen sollen endlich teilen"

Parlamentarische Demokratie, die Mechanismen der Medienwelt – es sind komplexe Themen, die das Musiktheater seinen Zuschauern in „Die Ministerpräsidentin“ vermitteln will. Die meisten sind zwischen neun und zwölf Jahren alt. Zu jung für Politik? Das glaubt man bei Atze offenbar nicht. Das Stück – Grundlage ist der gleichnamige Roman des Norwegers Tore Tungodden – kritisiert den etablierten Politikbetrieb. Da ist die Rede von Parteien, die alle dasselbe fordern und sich gegenseitig behindern. „Sicherheit, Wachstum, Arbeitsplätze“ rufen vier Parteienvertreter bei einer Talkshow im Chor, deren Erkennungsmelodie stark an „Günther Jauch“ erinnert. Hannah hingegen wünscht sich, „dass die Reichen endlich kapieren, dass sie teilen müssen“. Sie will weniger Autos und mehr Umweltschutz.

Spontanapplaus aus dem Publikum

Und so stellt sich die Frage auch den Erwachsenen im Saal: Was wäre, wenn Kinder mehr mitbestimmen könnten? Theaterleiter Thomas Sutter, der für das Stück auch Text und Musik geschrieben hat, ist sicher, dass Kinder ein großes Verantwortungsbewusstsein haben und beteiligt werden sollten. Würden sie auch dafür sorgen, dass Kinder- und Jugendtheater besser finanziert werden? Hannahs Freund Fred plädiert im Stück dafür. Spontaner Applaus aus dem Publikum.

Überraschend zunächst: Obwohl auf allen Plakaten in der Stadt ein Kind für das Stück wirbt, steht die durchaus volljährige Guylaine Hemmer als Hannah auf der Bühne. Rollt auf blinkenden Schuhen hyperaktiv durch die Kulissen. Kurz befürchtet man, dass das peinlich werden könnte. Schnell zeigt sich: Tut es nicht. Denn Hemmer spielt die Hannah mit einer solchen Leichtigkeit, dass man ihr das Kind durchaus abnimmt.

Takt und Akkord im ständigen Wechsel

Gesprochenes und gesungenes Wort wechseln sich ab in diesem Stück, oft sogar innerhalb eines Satzes. Takt und Akkord befinden sich ebenfalls im ständigen Wechsel. Die Erkennungsmelodien der fiktiven Partei bleiben teilweise noch Tage nach dem Stück im Ohr. Sutters Stück fließt so munter vor sich hin, dass man sich auch als Erwachsener bestens unterhalten fühlt.

Bauchschmerzen bereitet allerdings das Medienbild, das das Kindertheater vermittelt. Reporter bedrängen Hannah, die am Grab ihrer verstorbenen Mutter trauert. „So ein schönes Bild, so schön privat“, rufen sie. Und als sich später der Wahlkampf als großer Bluff herausstellt, werden die Medien mitverantwortlich für Hannahs Erfolg gemacht. Die Presse, egal ob Boulevardzeitung oder seriöses Blatt, sei „so geil auf Neues und Sensationelles, die berichtet ganz von allein.“ Etwas Differenziertheit beim Blick auf den Medien- und Politikbetrieb hätte dem Stück gutgetan.

Atze Musiktheater, Luxemburger Str. 20, nächste Vorstellungen: 24.–27.1., 14.–16.2.

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