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Kultur: Preußen: Glanz gab er für Gloria

"Er war groß im Kleinen und klein im Großen", so Friedrich der Große über seinen Großvater. Das klingt weder schmeichelhaft noch besonders fair, verdankte der Ruhmbegierigste aller Preußenherrscher doch gerade ihm seine königliche Dignität.

"Er war groß im Kleinen und klein im Großen", so Friedrich der Große über seinen Großvater. Das klingt weder schmeichelhaft noch besonders fair, verdankte der Ruhmbegierigste aller Preußenherrscher doch gerade ihm seine königliche Dignität. Der große Friedrich schimpfte, und alle, alle folgten - kaum einer der namhaften Preußenforscher vergangener Tage, dem nicht Vorurteile über Friedrich III. (1657-1713) entschlüpft wären. Das Verdikt des Spötters von Sanssouci scheint selbst die Gegenwart zu lähmen: Die einzige derzeit lieferbare Biographie stammt von Johann Gustav Droysen, ist also 130 Jahre alt.

Was verbindet uns noch mit jenem brandenburgischen Kurfürsten, der sich am 18. Januar 1701 in der Schlosskapelle zu Königsberg als Friedrich I. die neu geschaffene Krone aufs Haupt setzte? Trotz Preußenjahr wohl nicht allein die Lust am Feiern. Also eine echte Herausforderung für das Deutsche Historische Museum, das zusammen mit der Preußischen Schlösserstiftung die noch immer verbreitete Reserviertheit gegen den "kleinen" Friedrich zu beheben sucht. Für die Hauptveranstaltung der ersten gemeinsamen Landesausstellung von Berlin und Brandenburg wählte man stolze 750 Objekte - vom Krönungsporträt bis zur Lizenz eines hugenottischen Pastetenbäckers -, um historische Leistung wie kulturelles und geistesgeschichtliches Umfeld des seit 1688 regierenden Fürsten zu beleuchten.

"Preußen 1701. Eine europäische Geschichte" rekonstruiert keinen blaublütigen Lebenslauf. Die mehr als sieben Millionen Mark teure Schau versteht sich - so Kuratorin Franziska Windt - als Abbild "einer politischen Bühne, auf der auch Friedrich eine Rolle spielen wollte". Zwischen Kurhut, Krönungsinsignien und Totenhelm spannt sich der gleich einem Bühnenbild inszenierte Parcours in der Charlottenburger Orangerie. Liegt es an der Überfülle zu knapp kommentierten Materials, an der Komplexität nur angeschnittener Themen, wenn unser Held trotz farbenprächtigster Tupfer merkwürdig blass bleibt?

Der zweitälteste Sohn des Großen Kurfürsten und seiner oranischen Gemahlin Luise Henriette wuchs in einer Zeit europaweiter Konsolidierung heran. Friedrich war keinesfalls der politische Hasardeur, als der ihn sein Enkel beschrieb. Politisches Antichambrieren, seine dynastische Heiratspolitik, die Förderung von Kunst und Wissenschaft, ja selbst die berüchtigte Günstlingswirtschaft - all das steht im Kontext seiner Standesgenossen und macht ihn zu einem ganz "normalen" Barockfürsten.

Leitmotivisch bezieht sie sich auf die Hauptdarsteller des fürstlichen Zeitalters: Ludwig XIV. von Frankreich, Kaiser Leopold I., Zar Peter I. als neuer Augustus, der roi-connetable Karl XII. von Schweden. Sie und all die anderen dramatis personae der selbst inszenierten Aufführung mustern uns in offiziösen Bildnissen. Sei es das wandfüllende Arrangement der Staatsporträts oder die virtuose Marmorkälte der großartigen Wiener Prunkbüsten - wir treten allenthalben Akteuren eines heroischen Königsdramas entgegen. Der kleinwüchsige Friedrich von Preußen wirkt in diesem Kreis idealer Kraft- und Saftmenschen beinahe zerbrechlich.

Friedrichs Erhöhung zur Königswürde brauchte Zeit. Denn die alles bestimmende balance of power zwischen dem Hause Habsburg und dem "Allerchristlichsten König" von Frankreich war instabil. Um 1690 hatte die Fortüne des Sonnenkönigs ihren Zenit überschritten, aber Frankreich galt nach wie vor als erste Militärmacht. Kaiser Leopold setzte in den Türkenkriegen alles daran, seine Hausmacht außerhalb der Reichsgrenzen zu stärken, die Spannungen und Risse im Innern des Heiligen Römischen Reiches jedoch zu überdecken.

Ehrgeizige Fürsten erlangten "ihre" Krone außerhalb dieses altertümlichen Lehensverbandes. Dazu schien jedes Mittel recht: August der Starke hatte sich für die Wahl zum polnischen König schwer verschuldet. Die Wittelsbacher liebäugelten gar mit Australien! Friedrich I. hat sich zeitlebens, trotz erheblicher Spannungen, als treuer Gefolgsmann Wiens verstanden. Der Preis der Krone war hoch: Beinahe seit seinem Regierungsantritt befand sich Brandenburg im Kriegszustand.

Auch als König in Preußen herrschte Friedrich I. über kein zusammenhängendes, einheitlichen Rechts- und Verwaltungsnormen folgendes Staatsgebiet. De jure bestand das Königtum nur außerhalb des Reichs im bis dahin souveränen Herzogtum Preußen. Doch es gehört in den Bereich historischer Legenden, dass erst der Nachfolger, der "Soldatenkönig" Friedrich Wilhelm I., Ordnung in ein verlottertes Staatswesen gebracht hätte. Die wachsende Zahl von Edikten und Regularien - ein Ausweis staatlicher Modernität - trug ebenso zur Zentralisierung bei wie die hochmoderne Landesvermessung.

Das Schwarzbrot des Regierens nimmt breiten Raum ein. Doch wie lassen sich Grundlagen und Mechanik eines Staates museal darstellen? Lustlos nahm man sich dem für Friedrichs religiöses Verständnis essenziellen Themas der beiden protestantischen Glaubensrichtungen an. Auch die Präsentation einzelner Landesteile hätte man sich inspirierender gewünscht. Archivalien ohne begleitende Transkription sind eben das Gegenteil eines höfischen "Esperanto der Formen", dessen Verständlichkeit DHM-Generaldirektor Hans Ottomeyer so lobt.

Nicht nur den Kopf, sondern alle Sinne sprechen die repräsentativen Bestandteile von Friedrichs lange vor 1701 eingeleitetem Königsprojekt an. Friedrich suchte seine Würde, so Droysen, "wenn nicht auszufüllen, doch zu repräsentieren". Die Gründung der Akademien der Künste, der Wissenschaften, der Aufstieg der Universität Halle zur führenden protestantischen Alma mater Deutschlands sind klassische Mittel, die gloire des Herrschers zu steigern. "Königliche Hobbys" präsentieren zwei den Sammlungen und der Bibliothek Friedrichs gewidmete polygonale Kabinette.

Am unerschütterlichsten ist der Mythos Friedrichs als Bauherr. Anders als sein Nachfolger fördert er nicht vorrangig bürgerliches Engagement, war vielmehr vom "Bauwurm" besessen. Schloss, Zeughaus, Dom, Marstall - so lauten die Koordinaten seines architektonischen Berlinbilds. Seit 1697/98 sucht er gezielt Architekten anzuwerben, die Erfahrungen mit königlicher Ikonographie besitzen: Nicodemus Tessin und Domenico Martinelli lehnen ab. Schlüter, Eosander und Jean de Bodt bilden das Triumvirat, das um 1700 architektonischen Geschmack bestimmt. Fischer von Erlach - 1704 in diplomatischer Mission aus Wien angereist - äußert sich lobend.

Auch für die Präsentation von Architektur gilt: Weniger ist mehr. Es werden schon einige Trouvaillen aufgeboten, wie die der Forschung gerade erst bekannt gewordenen Alben des Hannoverschen Hofarchitekten Henry Reetz, der als Gehilfe Schlüters dessen Entwürfe abzeichnen durfte. Doch zu häufig erschließen sich Bezüge, wie die zwischen den temporären Triumphbögen der Königs-Entrée und Jean de Bodts Königstor nur dem Kenner. Rühmliche Ausnahme - und eine veritable Attraktion - ist die an der TU Darmstadt erstellte 3D-Animation des Schlosses. Der imaginierte Flug um und über den Riesenbau, der Gang durch Schlüterhof und Haupttreppe in die Prunkgemächer zeigt räumliche Dynamik wie atemberaubende Verschränkung von Skulptur und Architektur - und leistet mit seiner Visualisierung der Bauphasen echte Bildungsarbeit.

Friedrichs I. Lebensleistung - das wird bei allen Einschränkungen deutlich - war mehr als bloße Reaktion auf äußere Umstände. Auch wenn uns das Verständnis für den Sinn von Geschichte zurecht verdächtig geworden ist: Friedrich I. war wohl doch nicht so fehl am Platze, wie spätere Kritiker meinten. Nicht die Krönung, sondern deren zeremonieller Rahmen erscheint uns heute exotisch. Ihr Kern war pragmatisch, wie selbst Friedrich der Große zugeben musste. Bei ihm heißt es dazu: "Was in seinem Ursprung ein Werk der Eitelkeit war, ergab sich in der Folge als ein Meisterstück der Politik."

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