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Preußischer Kulturbesitz: „Gute Vernetzung ist entscheidend“

Hermann Parzinger, der neue Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, erklärt seine Zukunftsstrategie.

Herr Parzinger, das wichtigste Projekt, das vor Ihnen liegt, ist das Humboldt-Forum. Da sieht keiner so recht durch. Können Sie die Kernpunkte nennen?

Der Architektenwettbewerb läuft. Ihm liegt ein ausführliches Nutzungskonzept zugrunde, das ich sehr überzeugend finde und hinter dem ich stehe. Danach befindet sich im Erdgeschoss die Agora, eine Verteilerebene mit Bereichen für Theater, Film, Kunst, Läden, Gastronomie, die als „Tor zur Welt“ die Besucher neugierig machen soll auf die außereuropäische Welt. Im ersten Obergeschoss dann die „Werkstätten des Wissens“ mit der Königlichen Kunstkammer als der Keimzelle der Museen, dazu Bibliotheken, Phonogrammarchiv und mehr, also ein Bereich für die Wissenschaft, aber auch mit Experimentiermöglichkeiten für den Besucher, der sich informieren möchte. Darüber wird sich in mehreren Etagen die Präsentation der Kontinente aufbauen, und das ganze schließt im obersten Geschoss ab mit Räumlichkeiten für Wechselausstellungen, in denen die großen Menschheitsthemen wie Großstädte, Migrationen, Kunst behandelt werden.

Und dafür ziehen die Museen aus Dahlem um? Genügt das?

Es ist nicht einfach ein Museumsumzug von Dahlem nach Mitte, sondern wir haben vor, die außereuropäische Welt auf eine ganz neue Weise zu präsentieren. Dabei stellen sich viele Fragen. Welche Rolle soll die Kunst spielen? Welchen Raum geben wir anderen Lebensbereichen, die Aussagen zu Religion oder Sozialstruktur ermöglichen? Inwieweit kontextualisieren wir? Wie wollen wir die Verknüpfung mit Europa herstellen? Wo haben die außereuropäischen Kulturen Europa beeinflusst, wie hat Europa auf die Entwicklung in Afrika oder Südamerika eingewirkt? Das muss man alles zusammen sehen.

Trotzdem hat man den Eindruck, das Konzept verfängt nicht. Irgendetwas fehlt. Es ist nicht wirklich groß gedacht.

Es kann etwas Großartiges daraus entstehen. Die Realisierung des Humboldt-Forums, der ein Bundestagsbeschluss zugrunde liegt, hat begonnen. Jetzt gilt es, die damit verbundenen Pläne und Inhalte auch nach außen zu tragen. Das Konzept ist noch viel zu wenig bekannt. Man muss auch berücksichtigen, dass die Nutzung des Schlossplatzes ein Thema ist, das die Menschen seit der Wende beschäftigt und an dem sich die Geister scheiden. Vor allem an der Frage: Schloss oder etwas Modernes.

Der Bundestagsbeschluss ist eben ein Kompromiss. Ein fauler?

Nein, ich finde diesen Beschluss sehr weise und überzeugend – die Schlossfassaden ermöglichen die harmonische Einbindung in den historischen Stadtkern von Berlin, und hinter den Fassaden entsteht etwas Modernes, das den Blick Deutschlands in die Welt öffnet.

Und wie soll das Konzept besser vermittelt werden?

Wir planen zum Beispiel die Errichtung einer „Humboldt-Box“, in der sich die Menschen über das Humboldt-Forum informieren können.

Was verbinden Sie mit der Namensnennung nach Humboldt?

Alexander von Humboldt steht für die außereuropäische Welt, für den Respekt vor diesen Kulturen, er ist es, dessen Forschergeist uns Teile dieser Welt erschlossen hat.

Manche Dahlemer Museumsleute fürchten, dass die Hochkunst Asiens lediglich als Illustration von Lebensweisen und Gesellschaftsverhältnissen benutzt werden soll – etwas, das wir mit der europäischen Kunst mitnichten tun.

Alle Beteiligten werden das inhaltliche Konzept gemeinsam erarbeiten, insofern sind derartige Befürchtungen unbegründet. Natürlich kann man Kunstwerke Außereuropas nicht ausschließlich zur Erklärung historischer Phänomene heranziehen. Das ist aber auch gar nicht unser Ziel. Man muss beides tun: einerseits die Bedeutung der außereuropäischen Kunst sichtbar machen und andererseits auch die geschichtlichen, kultur- und kunsthistorischen Entwicklungen in diesen Räumen darlegen. Wir müssen dem Besucher aus Europa alle Aspekte der außereuropäischen Welt nahebringen. Ich bin außerdem der festen Überzeugung, dass beide Dahlemer Häuser, das Ethnologische Museum und das Museum für Asiatische Kunst, als klar profilierte und getrennte Forschungseinrichtungen in dieses Humboldt-Forum eintreten müssen – mit einem gemeinsamen Auftritt, der die Besonderheiten beider Häuser nicht überdeckt.

Ist der Begriff „Ethnologie“ heute überhaupt noch sinnvoll? Ist er nicht diskriminierend in einer globalisierten Welt?

Ich könnte mir vorstellen, dass gerade dieser Begriff durch ein erfolgreiches Humboldt-Forum völlig relativiert werden kann.

Müssen wir Europäern erklären, was in Afrika, Asien, Amerika passiert ist – oder ist das nicht zu eurozentrisch?

Eurozentrismus müssen wir vermeiden, aber wir müssen den Besuchern aus Europa schon etwas erklären, dabei beziehen wir Forschungsergebnisse aus Asien oder Amerika natürlich mit ein. Wir haben aber auch immer mehr Besucher aus asiatischen Ländern. Und die sollen sich ebenfalls im Humboldt-Forum wiederfinden, auch deren Vorstellungen über ihre eigene Welt sollten wir berücksichtigen.

Wie wollen Sie die Agora im Humboldt-Forum bespielen?

Mit dem Haus der Kulturen der Welt müssen wir in engem Kontakt sein, um für beide Orte klare Profile zu entwickeln. Wir brauchen für das Humboldt-Forum eine Art Intendanten. Man darf die Dinge nicht nebeneinander lassen, sondern die Bereiche müssen zusammengeführt und inhaltlich verknüpft werden – dann kommt auch der Erfolg.

Kommen wir auf die Wissenschaft zu sprechen, die Sie stets besonders betonen. Daraus konnte man zweierlei schließen: dass Sie Defizite der Preußenstiftung in der Vergangenheit bemängeln, und dass Sie die Wissensproduktion steigern wollen.

„Defizite“ würde ich nicht sagen. Aber es ist doch naheliegend, dass man überlegt, wo man eigene Akzente setzen kann. Und da ich aus der Wissenschaft komme, betrachte ich die Stiftung natürlich auch aus diesem Blickwinkel. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz steht an der Scharnierstelle zwischen Wissenschaft und Forschung einerseits und Kunst und Kultur andererseits. Wir sind keine reine Wissenschaftseinrichtung, was wir machen, muss mit den einzelnen Häusern zu tun haben und aus ihren Sammlungen heraus entwickelt werden. Ich bin sicher, dass wir bei dem enormen Forschungspotenzial in den Stiftungseinrichtungen wichtige Akzente setzen können.

Wie soll das Scharnier funktionieren?

Gute Vernetzung ist entscheidend. Das Exzellenzcluster „Topoi“, in dem es um die Gestaltung von Räumen geht, verschränkt uns mit Humboldt-Universität, Freier Universität und weiteren Partnern. Hier können alle Beteiligten jetzt einmal erproben, wie man solche Vernetzungen gestalten kann. In solchen Kooperationen liegt die Zukunft, weil heute keine Einrichtung mehr alles alleine leisten kann.

Und wer soll das alles bewerkstelligen?

Die Stiftung hat große Personalprobleme. Wir können nicht mehr Aufgaben übernehmen mit immer weniger Leuten. Für unsere künftige Arbeitsfähigkeit ist es von zentraler Bedeutung, dass die jahrelangen Stellenkürzungen jetzt endlich einmal aufhören. Durch interne Umschichtungen können wir nur bedingt Potenzial für mehr Forschung schaffen. Deshalb brauchen wir offensive Drittmittelstrategien und Partner im universitären und außeruniversitären Bereich. Kooperation sollte aber auch den Austausch von Museumskuratoren umfassen. Das ist wichtig, um frischen Geist in die Häuser zu bekommen und umgekehrt unsere Ideen nach außen zu tragen. Also, die Wissenschaft braucht ihren Platz in der Stiftung, denn sie erarbeitet letztlich die Inhalte, die wir den Besuchern und damit der ganzen Breite der Bevölkerung nahebringen wollen.

Sie sind sehr gut vernetzt – durch Ihre Forschungsarbeit auch in Russland. Nun kommt die völlig ungelöste Frage der Beutekunst auf Sie zu.

Bei meinen archäologischen Projekten geht es immer um wissenschaftliche Fragestellungen. Aber ich merke, dass ich für Gesprächspartner jetzt einerseits als Vertreter der Stiftung fast so eine Art offizieller Sprecher Deutschlands in der Beutekunstproblematik bin, andererseits sieht man mich auch noch als Wissenschaftler. Es ist mir wichtig, auch diese zweite Ebene aufrecht zu erhalten. Im Übrigen wäre es völlig vermessen zu glauben, nur weil ich russisch spreche und gute Kontakte habe, könnte ich in dieser komplexen Frage jetzt etwas erreichen.

Also weiterhin keine Bewegung in der Beutekunstfrage?

Ich habe das gleiche Ziel wie mein Vorgänger Klaus-Dieter Lehmann. Das lautet, das Thema aktuell zu halten und unseren Anspruch nicht aufzugeben. Über Lösungen wird man erst nachdenken können, wenn die Beziehungen zwischen beiden Ländern dies gestatten.

Welche Schritte wollen Sie in nächster Zukunft unternehmen?

Im Rahmen des deutsch-russischen Museumsdialogs planen wir ein Projekt zur Auswertung von Transportlisten. Zum Zweiten wollen wir ein Austauschprogramm für Kuratoren in Gang bringen. Wir wollen Vertrauen und Kooperation ausbauen, das kann die Wissenschaft leisten. Ferner haben wir vor, gemeinsame Ausstellungen weiterzuführen, wie zuletzt zu den Merowingern. Und wir planen eine große Ausstellung gemeinsam, „1000 Jahre Russland und Deutschland“, um die Langzeitperspektive in den Beziehungen zwischen beiden Ländern deutlich zu machen. Dabei wird viel mehr Gemeinsames als Trennendes sichtbar werden. Die Ausstellung soll in Deutschland und in Russland gezeigt werden, um in beiden Ländern die Öffentlichkeit zu erreichen.

Wie empfinden Sie Russland heute?

Egal, wo ich in Russland hingekommen bin: Ich stieß nie auf Ablehnung, sondern bin immer mit offenen Armen aufgenommen worden. Es hat mich sehr berührt, wenn ich merkte, dass man den von Deutschland ausgegangenen Zweiten Weltkrieg irgendwie auch als gemeinsamen Schicksalsschlag für die Menschen auf beiden Seiten sieht. Wir sollten unsere leidvolle Geschichte als Verpflichtung für die Zukunft sehen. Gerade Kultur und Wissenschaft können dazu beitragen, die bilateralen Beziehungen weiter auszubauen.

Das Gespräch führten Rüdiger Schaper und Bernhard Schulz.

Hermann Parzinger (geb. 1959), Archäologe und Prähistoriker, seit 2003 Präsident des Deutschen Archäologischen Instituts, ist seit 1. März Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

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