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Kultur: Prima Klima

Öko-Haus mit besonderer Geschichte: Das neue Domizil des Bundesumweltministeriums

Nur für den Fall, dass die Bediensteten des Ministeriums doch noch allesamt nach Berlin kommen werden: Im Hinterhof ist Platz für einen Erweiterungsbau. So weit hat man vorausgedacht, immerhin. Eigentlich war das Anwesen unweit des Potsdamer Platzes für das Gesundheitsministerium vorgesehen, aber schon zum Ende des Architektenwettbewerbs 2002 stand fest, dass der Umweltminister hier einziehen wird. Nicht Jürgen Trittin, der 2005 den Grundstein legte, auch nicht sein Nachfolger Sigmar Gabriel, der 2008 das Richtfest feierte, sondern Norbert Röttgen hat nun die neuen Räume bezogen.

Die lange Bauzeit des 64-MillionenProjekts lässt die Schwierigkeiten für die Bauleute erahnen. Die Berliner Architekten Geier Maas Pleuser, die den Wettbewerb für sich entschieden hatten, sollten nicht nur einen Neubau an die Stresemannstraße Ecke Erna-Berger-Straße setzen, sondern auch den Altbau mit einbeziehen. Diese Aufgabe hatte man in der Bundesbaubehörde BBR unterschätzt und auf eine gründliche Bestandsuntersuchung verzichtet. Also gab es unliebsame Überraschungen, vom kontaminierten Untergrund über strukturelle Schäden durch Bombentreffer, Fundamentmängel, mürbe Putzflächen und „Bauschuttsanierung“ in frühen DDR-Zeiten, als man das Haus nur notdürftig flickte, bis zu giftigem Bodenkleber.

Hinzu kam, dass auch der Minister umplanen ließ, denn er wollte nicht in den für die Leitung vorgesehenen Neubau einziehen, sondern lieber Räume im Altbau beziehen. So sieht sich Röttgen als Hausherr nun in der Nachfolge des preußischen Ministers für Landwirtschaft, Domänen und Forsten, denn für jenen war das Haus 1913 bis 1916 zur rückwärtigen Erweiterung des Dienstsitzes am Pariser Platz erbaut worden.

So ein Hausschicksal gibt es nur in Berlin. Wilhelm II. persönlich hatte die ersten Pläne vernichtend beurteilt, worauf der Architekt nach Potsdam strafversetzt wurde. Doch auch sein Nachfolger wählte keine „wilhelminische“ Prachtentfaltung, sondern – am Vorabend der Moderne – einen dezent würdevollen, verhaltenen Reduktionsbarock. Zwei Bombentreffer schlugen 1944 Breschen in die Fassaden, das Dach wurde weggefegt. Zu DDR-Zeiten stand das Haus jahrelang leer, dann zogen die Konsumgenossenschaften ein. Die Bauzier wurde abgeschlagen, der DDR-typische einheitsgraue Kieskratzputz aufgetragen und ein Flachdach aufgebaut – auf das man Wachhäuschen postierte, denn das Haus stand direkt an der Sektorengrenze. Erstaunlicherweise wurde es nicht abgerissen wie die Nachbarhäuser am Todesstreifen, sondern nur an der Westseite zugemauert – die Schauseite wurde zum Rücken, das Hinterhaus zum Entree.

Heute strahlt das Haus wieder Glanz aus. Architekt Jürgen Pleuser lässt an der Fassade die alte Kolossalordnung erahnen, nicht durch Rekonstruktion der Säulen, sondern durch Eintiefung ihres Schattens im Putz. Die Eingangshalle wurde im alten Dekor restauriert, die Kreuzgratgewölbe in den Gängen und die Treppenhäuser in alter Form wiedergewonnen. Mehr Historie war nicht erhalten und wurde auch nicht wieder herbeigezaubert.

Was man nicht sieht, ist die aufwendige ökologische Optimierung des Gebäudes: Ein Umweltministerium hat hier als Vorbild zu dienen. So wurde der Heizenergieverbrauch des Altbaus um 60 Prozent gesenkt, der Neubau erhielt das Zertifikat „qualitätsgeprüftes Passivhaus“. Photovoltaik, Stromerzeugung durch Brennstoffzellen, Geothermie, das ganze Programm. Sogar dem Abwasserkanal in der Straße wird per Wärmetauscher Energie entzogen. Ob es zum Rechtsstreit kommt, wenn der Nachbar „stromaufwärts“ ebenfalls Wärmetauscher in die Kanalisation hängt und die Wärme schon abfischt?

Der Innenhof des Altbaus wurde gläsern überdacht und kann für Veranstaltungen genutzt werden; auch zwischen Alt- und Neubau entstand ein glasgedeckter, attraktiver Innenhof. Er ist gleichzeitig Klimapuffer und Luftabzug für die Büroräume. Der Einsatz ökologisch unbedenklicher Baustoffe und die Sicherstellung eines gesunden und angenehmen Raumklimas etwa mit lehmverputzten Wänden verstanden sich von selbst. Der Neubau wird von einem haushohen Foyer in Form einer gläsernen Fuge durchschnitten – dort, wo die Mauer stand, deren erhaltenen Reste im Ausstellungsraum zu sehen sind. Die Fassaden aus gelblichem, an Sandstein erinnerndem Betonwerkstein, durch die rhythmische Verschiebung der Fensterachsen als Kind ihrer Entstehungszeit charakterisiert, gewinnen durch die tiefen Fensterlaibungen eine kraftvolle Plastizität. Das Panoramafenster zeigt an, wo der Minister sein Büro haben sollte. Die Loggia im obersten Geschoss ist Belvedere und Raucherbalkon zugleich und grüßt hinüber zum Potsdamer Platz.

Die Architekten sind nicht zu beneiden um die knifflige Baustelle. Trotzdem ist es gelungen, ein mustergültiges Stück Denkmalpflege und einen vorbildlichen Neubau mit Passivhausstandard zu einem Ministerium zu vereinen, über das sich die Eröffnungsredner am letzten Montag zu Recht voll des Lobes zeigten.

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