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Princessin Hans, das sind der Sänger Hans Kellett (im Kleid) und der Pianist Jörg Hochapfel.

© Jackie Baier

Princessin Hans: Entschieden unentschieden

Wie war das mit Conchita Wurst? Was Körperbehaarung und Frauenkleider betrifft, ist auch Princessin Hans nicht ohne. Am Wochenende tritt das Duo in Berlin gleich zwei Mal auf.

Auch mal schön. Eine Band mit Slogan, mit Selbstbeschreibung: Comfort the disturbed, disturb the comfortable. Tröste die Gestörten und störe die Bequemen. Hier steht’s, sagt Hans Kellett und zeigt einen Flyer des Duos Princessin Hans.

Seine Hände sind kräftig, wie die Arme, die Beine, der ganze Mann. Nein, eine androgyne Erscheinung ist der Sänger nicht, wie er da so neben dem schmalen Pianisten Jörg Hochapfel auf dem Sofa in der Künstlergarderobe des Theaters O-Tonart sitzt. Im Tageslicht täuscht das. Abends, im Scheinwerferlicht der Bühne trägt Kellett gerne Schminke und schimmernde Kleider zur dichten Körperbehaarung, zum wolligen Bart. Schon seit 2003, als er noch solo und mit „z“ geschrieben begann, als Kunstfigur namens Prinzessin Hans durch die queere Subkultur Berlins zu tingeln.

Der Bart ist echt. Nicht teilaufgepinselt, wie ihn die österreichische Dragqueen Conchita Wurst trägt. Deren Sieg beim Eurovision Song Contest vor drei Wochen hat das in der Unterhaltungsbranche als eher angestaubt geltende Thema Travestie wieder in die Schlagzeilen gebracht. Es folgte eine wahrhaft erstaunliche Welle internationaler Liebes- und Hassreaktionen und eine Flut von emotionalen bis analytischen Boulevard- und Feuilletonartikeln, die verdeutlichte, was im ignoranten bis toleranten Berliner Alltag schnell in Vergessenheit gerät. Erklärte Uneindeutigkeit in Fragen der Geschlechteridentität ist immer noch ein Aufreger, ja eine – sich immer wieder in gewalttätigen Übergriffen niederschlagende – Provokation.

Transvestit, Transmensch, Transsexueller, Crossdresser, Dragqueen, Trümmertunte? Das zur Verfügung stehende, die Individualität einer Person eher schlecht als recht abbildende Vokabular hilft bei der Beschreibung mal Falsett und mal Bariton singender Prinzessinnen auch nicht wirklich weiter.

Nö, grinst Hans Kellett, 37, geboren im neuseeländischen Auckland, studierter bildender Künstler, preisgekrönter Dramatiker, seit 2001 in Berlin: Travestiekünstler sei er eigentlich nicht. Künstler, das schon. Warum trägt er dann Frauenkleider? „Das sind keine Frauenkleider, das sind meine Klamotten, die finde ich schön. Die würde ich auch auf der Straße tragen, wenn ich keine Angst haben müsste, dumm angequatscht zu werden.“

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Mann, Frau, queer, schwul – all das sind keine Kategorien für Kellett. Er ist ein Apostel der Dekonstruktion von Geschlechteridentitäten – wie sie die Kleinkunstszene der Stadt immer wieder hervorgebracht hat, von Romy Haag über Georgette Dee bis Hedi Mohr. Dass das funktioniert, zeigt die Episode mit der Frau, die nach einem Konzert zu ihm kam und sagte: „Erst wusste ich nicht, was du bist. Jetzt weiß ich, du bist 150 Prozent Mann und 150 Prozent Frau“. Sein kostümtechnisch weniger freizügig auftretender Bandkollege Jörg Hochapfel sekundiert: „Man stellt schließlich immer was dar auf der Bühne.“

Sicher, deswegen gibt es ja diese dem Leben enthobene Konstruktion, deswegen sind Maskerade und Rollenspiel so alt wie das Theater selbst. Allerdings nicht unter Jazzern, sagt Jörg Hochapfel, 38, der neben Princessin Hans auch in der Band Hunger, dem großartigen Andromeda Mega Express Orchester sowie der Hamburger Free-Jazz-Formation Piho Hupo aktiv ist. Jazz sei eine konservative Bastion, was Genderfragen angeht. „Es gibt wenig Frauen, wenig Homosexuelle im Jazz.“ Hochapfel vermutet, dass das am rauen Wettbewerbsgeist in der Jazzszene liegt, der seit den „Cutting Contests“ herrscht, jenen historischen Improvisationsschlachten unter Pianisten.

Der Stempel „Queer Jazz“, den ein Kritiker ihrem ersten Album „Because You Wouldn’t Play Tennis With Freddy“ aufgedrückt hat, gefällt dem sorgfältig die Worte wägenden Pianisten jedenfalls. „Das heißt nichts, macht aber neugierig.“ Eben. Die mal mit deutschen, mal mit englischen Texten verzierte Musik von Princessin Hans klingt wahlweise nach Punk, Polka oder Neuem Chanson, was ja auch wieder einer von diesen vertrackt mehrdeutigen, gewollt uneindeutigen Begriffen ist. Pianopop passt auch noch, wobei ein Gothic-Grusel-Gong wie „Frauenschlachter“ eher in Richtung Danny-Elfman-Rummelmusik geht und die tolle Nummer „Schwitzen“ einen Hang zum Dancefloor aufweist.

Je nach der Verfügbarkeit von Gastmusikern stocken Princessin Hans ihr Duo auch gerne um Bläser, Schlagzeug, Cello oder Vibrafon auf. Eine Singende Säge hat Hans Kellett sowieso immer mit dabei. Er nennt die Musik eine Weiterentwicklung des deutschen Chansons der zwanziger und dreißiger Jahre. „Wie es heute klingen könnte, wenn es die Nazis nicht gegeben hätte“, sagt er, zuckt die Achseln, lacht.

Seinen Einstand auf Berliner Bühnen hat er übrigens schon 2001 gegeben, im Schokoladen, bei der Lesebühne O-Ton Ute. Dort hat es ihn schon am dritten Tag des ursprünglich nur als Besuch geplanten Deutschlandaufenthalts hin verschlagen. Da ist er jetzt immer noch Mitglied der Hausband Abeueda. Auch als Tänzer ist der interdisziplinäre Kellett unterwegs. Mit dem französischen Ensemble La Zouze ist er 2010 sogar im Moulin Rouge in Paris aufgetreten. Und als Filmdarsteller war er im Februar in „Fucking Different XXY“ im Berlinale-Panorama zu sehen.

Bei der Show am Sonnabend im Schöneberger Theater O-Tonart gibt es ebenfalls ein Video zu sehen. Der einigermaßen überraschende Titel des in strengem Schwarz-Weiß gedrehten Kurzfilms: „Zur Sache: Hannah Arendt im Gespräch mit Günter Gaus“. Nach der ersten Minute ist klar: Der Clip ist die – ziemlich coole – Parodie jenes legendären TV-Talks von Gaus mit Arendt aus dem Jahr 1964 – mit dem bärtigen, bebrillten Hans Kellett in der Rolle der Philosophin. Die rechnet in seiner Version unter dem abgewandelten Arendt-Schlagwort „Das Böse der Banalität“ mit Mainstream-Popstars wie Lady Gaga oder Lena Meyer-Landrut und der sie verehrenden Anpasser-Generation ab.

Hannah Arendts Theorien sind eine Leidenschaft von Hans Kellett. Die andere ist es, sich für die Rolle einen Rock und eine Perücke anzuziehen. Möglichst altbacken auszusehen, in guter Berliner Transentradition, wie er mit Blick auf Kunstfiguren wie Edith Schröder oder Ichgola Androgyn sagt. „In Neuseeland wollen die Dragqueens gerne Las-Vegas-Showgirls sein, hier sind sie alte Tanten.“ Politisch relevant ist beides für ihn.

Konzerte: Sonnabend, 31. Mai, 19.30 Uhr, Theater O-Tonart, Kulmer Straße 20a, Schöneberg; Sonntag, 1.6., 20 Uhr, Silver Future, Weserstr. 206, Neukölln

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