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Kultur: Pro Bono

Christian Schröder über Politiker, die mit Freiflügen Gutes tun Wer reist, so heißt es, lässt den Alltag hinter sich. Der Angestellte, der in Tegel einen Ferienflieger besteigt, verwandelt sich schon bei seiner Ankunft auf dem Flughafen von Palma de Mallorca in einen Überzeugungsspanier, der mit einem braungebrannten Lächeln und in leichten Sandalen in die Sommerfrische schlappt.

Christian Schröder über

Politiker, die mit Freiflügen Gutes tun

Wer reist, so heißt es, lässt den Alltag hinter sich. Der Angestellte, der in Tegel einen Ferienflieger besteigt, verwandelt sich schon bei seiner Ankunft auf dem Flughafen von Palma de Mallorca in einen Überzeugungsspanier, der mit einem braungebrannten Lächeln und in leichten Sandalen in die Sommerfrische schlappt. Politikern ist diese Ich-Flucht unmöglich. Sie haben ihr Amt immer dabei. „Was nicht nur dienstlich ist, wird deshalb noch lange nicht nur privat“, sagt Günter Nooke über seinen Frankfurt-Flug, der über das Bonusmeilen-Programm der Lufthansa abgerechnet worden war. Ein Politiker ist sozusagen von Terminen umstellt, er muss permanent unterwegs sein, um seinen Pflichten nachzukommen. In ihrem Kern ist die von der „Bild“-Zeitung lancierte Kampagne gegen die Abgreif-Funktionäre ein Klassenkampf: zwischen Economy- und Business-Class. Das Wahlvolk sitzt auf den billigeren Plätzen und ist neidisch auf die Herren in den gut gepolsterten Sitzen gleich hinterm Cockpit, die Champagner schlürfen und mit ihren „Senator Cards“ herumwedeln.

Dabei deckt die „Bonusflug-Affäre“ doch vor allem eines auf: Wie viel Gutes (bonus, lat. = gut) unsere Politiker tun, manchmal mehr, als sie eigentlich müssten. Staatsminister Volmer schickt seine Exgattin als Schirmherrin des „Frauen- und Familiendienstes des Auswärtigen Amtes“ um die Welt. Umweltminister Trittin sucht sich im Bonusmeilen-Prämien-Katalog ausgerechnet einen „Roll-Koffer aus Aluminium mit Lufthansa-Emblem des Herstellers Rimowa“ aus. Bei künftigen Dienstflügen wird er noch mehr Akten mitnehmen können. Und Gregor Gysi, dessen Frau und Tochter von „Bild“ in Varadero auf Kuba ertappt worden waren, spendet den „geldwerten Vorteil“ seiner Freiflüge als fünfstelligen Euro-Beitrag an Amnesty International.

„Candidaten“, schrieb Georg Christoph Lichtenberg, „heißen Leute, die Tausende wegwerfen, um ihrem Vaterlande für nichts zu dienen“. Ihr Traum sei es, „ein oft unbemerkter Tropfen in dem Strohm zu seyn, durch den dem Lande Wohlseyn zufließt“. Der Göttinger Philosoph meinte die englischen Unterhaus-Abgeordneten des 18. Jahrhunderts, die sich ihre Stimmen tatsächlich noch bar erkauften. Als moralische Grundlagenforschung hat seine Berufsbild-Beschreibung auch im Jetset-Zeitalter noch Gültigkeit. Gerade im Eigennutz erweist sich oft der Gemeinsinn. „Es geht um Urlaubsflüge nach Italien, etliche Heimflüge für die Ehefrau und eine exklusive Sachprämie“, behauptet „Bild“. Nein, unseren Politikern, die auch privat immer noch im Dienst sind, geht es: ums Wohlseyn des Landes. Manchmal treten sie sogar zurück, wie Gysi, um „Moral in der Politik nicht jenseits der gesellschaftlichen Realitäten“ gelten zu lassen. Ach!

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