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Nur 15 Prozent der Regieaufträge in Deutschland werden an Frauen vergeben. Das muss sich ändern, finden die Initiatorinnen von Pro-Quote-Regie.

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Pro Quote Regie: Frauenquote in den Medien: Warum die Quote für Regisseurinnen ein Irrtum ist

Die Quote ist in Serie gegangen, wie alle Erfolgsformate. Nun fordern Regisseurinnen mehr Gerechtigkeit bei der Verteilung von Aufträgen für Film- und Fernsehproduktionen. Pro Quote Regie – ein Irrtum in fünf Akten.

Die Parteien haben sie, die Dax-Vorstände kriegen sie, die Journalisten fordern sie und die Kanzlerin hat auch nichts mehr dagegen. Nun ist auch den deutschen Regisseurinnen aufgefallen, dass sie zu kurz kommen, und sie setzen auf die Quote.

Das Quotenmodell funktioniert so: Frauen wollen etwas von Männern, das diese ihnen die längste Zeit verwehrt haben: Teilhabe, Geld, Macht. Sie gießen ihr rechtmäßiges Begehr in Zahlen, berechnen Quoten, beschwören und bekommen sie. Und weil das ganz gut läuft, ist die Quote in Serie gegangen, wie es alle Erfolgsformate tun. Die neue Episode, Pro-Quote-Regie, spielt jedoch in einer Welt, in der Frauen – als Entscheiderinnen wie als Ausgeschlossene – sich und ihrem Anliegen selbst im Weg stehen.

1. Zahlendreher: die Pro-Quote-Regie Initiatorinnen argumentieren mit frappierenden Statistiken

„Und dann habe ich die Zahlen gesehen!“ Dieser Satz fällt in nahezu jedem Statement von Pro-Quote-Regie-Sprecherinnen. Regisseurinnen, die seit Jahren, oft Jahrzehnten in Film und Fernsehen arbeiten und an Filmhochschulen unterrichten, haben angeblich weder bemerkt, dass neben ihnen kaum Frauen in ihrem Geschäft unterwegs sind, noch wie wenige ihrer gut quotierten Studentinnen nach dem Studium tatsächlich Karrieren aufbauen. Erst mit den in Ellen Wietstocks filmpolitischem Informationsdienst „Blackbox“ zusammengetragenen Zahlen – nur knapp 15 Prozent der Regieaufträge in Film und Fernsehen werden an Frauen vergeben – kamen die Tränen. Und die Wut. Und neue Zahlenspiele.

Wessen Empörung erst von Zahlen geweckt wird, der will auch seine Satisfaktion auf Zahlen betten, also Studien über verschwundene Studentinnen beauftragen, Fördergelder aufteilen und Regiejobs quotieren. Ausgespart bleibt, was nicht berechenbar, sondern nur beschreibbar wäre: Ursachen, Einzelfälle, Zweifel, Ästhetik, Substanz und der als „alter Hut aus den Siebzigern“ geschmähte weibliche Blick. Allenfalls umschließen die Zahlenspiele das viel zitierte Recht der Frauen, „auch schlechte Filme machen zu dürfen“.

Zahlen sprechen – wenn überhaupt – nur dann, wenn Vergleichsgrößen genannt werden. Aber es gibt noch keine Statistik darüber, wie viele Anträge in welcher Höhe von Frauen überhaupt bei den Förderanstalten eingereicht werden und ob überdurchschnittlich viele abgelehnt werden, im Vergleich zu denen der Männer. Persönliche und damit konkrete Erfahrungen werden gezielt ausgespart („Bei mir läuft es eigentlich gut“).

Lieber treten die Pro-Quote-Initiatorinnen für stumme wie unbekannte Kolleginnen ein („Es geht um Solidarität“) oder für Studentinnen, mit denen offenbar auch niemand redet („Ich weiß auch nicht, wo die abgeblieben sind“). Auch heißt es gern, dass niemand Schuld trage („Die Diskriminierung geschieht weitestgehend unbewusst“). Wer ein persönliches Dilemma nicht am eigenen Leib, sondern erst in Statistikform begreift und sich selbst und den Sachwaltern seines Dilemmas Bewusstlosigkeit attestiert, dessen kleinster gemeinsamer Nenner kann nie groß genug für echte Veränderung sein.

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2. PR-Wert: Der Aufruf ist von Promis wie Doris Dörrie, Senta Berger und Veronica Ferres unterschrieben

„Klappern gehört zum Handwerk“, heißt es. Auch zum Regieauftragserlangungshandwerk. Bei Pro-Quote-Regie ist Klappern das Handwerk selbst. Man finde eine griffige Formel (50/50 bis 2025), sammele Mitstreiterinnen ( 200 Regisseurinnen) und natürlich die sogenannten prominenten Erstunterzeichner. Die Medienwelt pickt sich statt der eigentlichen Aktivistinnen gern die „prominentesten Unterstützer“ heraus. Das sind dann Doris Dörrie, Senta Berger, Veronica Ferres und Michael Ballhaus, Menschen, die viel unterschreiben, wenn der Tag und die Listen lang sind. Und die damit dem Anliegen jenes süße Aroma von Charity verleihen, das ihm jede eigene Würze und Würde austreibt.

Auch die unvermeidliche Facebook-Seite vermittelt mehr Uniformität als Aufbruch. Die Schauspielerin Annette Frier hat ein solidarisches Video beigesteuert, in dem sie Vorurteile gegen Regisseurinnen launig aufs Korn nimmt. Frier verkörperte die Titelheldin der Serie „Danni Lowinski“, in 63 Folgen. Keine einzige wurde von einer Regisseurin inszeniert. Diese Tatsache und deren Ursache erwähnt sie nicht. Es hat sie auch niemand gefragt. Prominenz schlägt Plausibilität.

Margarethe von Trotta.
Eine der wenigen, die seit den 70er Jahren kontinuierlich in Deutschland Filme dreht, viel preisgekrönte Produktionen, fürs Kino wie fürs Fernsehen: Margarethe von Trotta.

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3. Zukunft von gestern: Die Quoten-Befürworterinnen verkennen, dass die Musik längst woanders spielt

Den Pro-Quote-Regie-Frauen geht es um das sprichwörtliche Stück vom Kuchen. Also um Fördergelder aus den Bundes-, Länder- und Branchentöpfen sowie um Regieaufträge bei Auftragsproduktionen des (vor allem) öffentlich-rechtlichen Fernsehens, egal ob Pilcher oder Pfefferkörner, Tatort oder Tatortreiniger. Weil sie ihren erlernten Beruf ausüben wollen und Geld verdienen müssen. Nun bilden die Filmhochschulen Jahr für Jahr ohnehin mehr Regisseurinnen und Regisseure aus, als es Sendeplätze und Kinosäle gibt. Die Frauenverdrängung ist also – auch – Teil einer weiter gefassten Asymmetrie.

Was die Aktivistinnen ebenfalls ignorieren: Das Fernsehen, auf das Pro -Quote-Regie vor allem zielt, hat bald ausgedient, und mit ihm etliche dann vielleicht quotierte Formate. Genauso gut hätte man nach Gottschalks Rückzug eine Moderatorin für „Wetten dass…“ fordern können – als hätte sich das Showformat selber nicht überlebt. Wo Frauen über den Anteil weiblicher Sprechrollen im Kinderfernsehen diskutieren, entwickeln die Jungs längst Formate für den geplanten digitalen Jugendkanal von ARD und ZDF. Oder sie stellen sich den sogenannten trimedialen Erzählkonzepten der Sender mit „24h Berlin“ und „24h Jerusalem“. Oder kaufen Youtube-Stars mitsamt deren Konzepten ein. So sichern sie sich eben jenes Terrain, von dem die Frauen sich in zehn Jahren, wenn die letzte Pilcher versendet ist, ihren Teil neuerlich herbeiquotieren müssten.

Eigenblut-Therapie und Energiewende.

Den Kopf hinhalten, Anweisungen geben. Regisseurin Caroline Link bei den Dreharbeiten zu „Nirgendwo in Afrika“.
Den Kopf hinhalten, Anweisungen geben. Regisseurin Caroline Link bei den Dreharbeiten zu „Nirgendwo in Afrika“.

© Gerhard Westrich/laif

4. Eigenblut-Therapie: Reim, Reitz, Will, Maischberger - mächte Medienfrauen gibt's längst

Während sich hermetische Jungssysteme womöglich nur mit dem Quoteneisen aufbrechen lassen, gibt es in Film und Fernsehen längst eine Vielzahl mächtiger Frauen. Petra Müller, Kisten Niehuus und Eva Hubert leiten wichtige FilmförderEinrichtungen. Marktbestimmende Künstleragenturen sind fest in Frauenhand. Programmbestimmende Redakteurinnen gibt es zuhauf, etwa beim RBB die Intendantin Dagmar Reim, Programmdirektorin Claudia Nothelle und Filmredaktions-Chefin Cooky Ziesche. Oder beim BR das furiose Trio Bettina Reitz, Bettina Ricklefs und Cornelia Ackers. Von machtvollen weiblichen Publikumslieblingen wie Iris Berben, Senta Berger oder Heike Makatsch ganz zu schweigen. Nicht zuletzt machen Anne Will, Sandra Maischberger und Maybrit Illner vor, wie man Prominenz in Geschäftsmodelle ummünzt. Diesen Frauen in leitenden Positionen wird seitens der Frauen in leidenden Positionen nicht selten eine antifeministische deformation structurelle unterstellt.

Einfach mal in Erfahrung zu bringen, warum sie oft kein Interesse an Regisseurinnen oder deren Projekten haben, wäre sinnvoller, als ihre Besetzungspolitik als „weitestgehend unbewusst“ zu denunzieren. Die Antworten könnten wehtun. Die Quotenkeule gegen das eigene Geschlecht schwingen? Es wäre allemal mutiger, mehr Dialog, mehr Projekt und ordentlich Konflikt mit den Kolleginnen in Verantwortung zu wagen.

5. Energiewende: Die Quote befreit nicht nur, sie setzt auch Grenzen

Der Regieberuf besteht wesentlich darin, sich seiner Sache und seiner Ideen sicher zu sein (oder es bestmöglich vortäuschen zu können), anderen Leuten zu sagen, was sie zu tun haben, und den Kopf dafür hinzuhalten, wenn man sich geirrt hat. Diese Qualitäten braucht es auch, um an Regiejobs zu kommen. Wer sie nicht hat, wird sie auch nicht am mittels Quote ermöglichten Arbeitseinsatz am Set entwickeln.

Inszenieren ist – auch – erzählen. Jede gute Geschichte erweitert Grenzen. Die Quote setzt Grenzen, sie wird selbst von ihren Fürsprecherinnen als Krücke und notwendiges Übel bezeichnet. „Wir haben alles andere versucht“, sagt die Unternehmensberaterin und Ex-Piratenpolitikerin Anke Domscheit-Berg in einem Plädoyer für Pro-Quote-Regie. Das stimmt im Fall der Regisseurinnen nicht. Sie haben jahrzehntelang abgewartet, ob etwas in ihrem Sinne geschieht, um ihre Kräfte nun sehr spät in der Organisation des Forderns zu binden. Gründung, Bewerbung und Lobbyarbeit für Pro-Quote-Regie fressen jede Menge Energie, die in bessere Ideen fließen könnte.

Man könnte etwa die versammelten prominenten Unterstützer gleich mal in die Pflicht nehmen, Aufträge zu ermöglichen, statt Aufrufe zu unterschreiben: Dieter Kosslick präsentiert bei der Berlinale 2017 der Welt ein rein von Frauen inszeniertes Wettbewerbsprogramm. Senta Berger, Veronica Ferres und Annette Frier wünschen sich für ihre nächsten drei Projekte eine weibliche Regie. Und Edgar Reitz kuratiert die Filmreihe „Geschichten aus der Versenkung“ mit Arbeiten von abhanden gekommenen Regiestudentinnen. Etwas Besseres als die Quote findet sich überall.

Heike-Melba Fendel ist Inhaberin der Agentur Barbarella und Co-Autorin des Frauenblogs „Ich. Heute. 10 vor 8.“ auf www.faz.net

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