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Kultur: Prophet in fremdem Lande

Young Euro Classic: das Danubia-Orchester

Als Béla Bartók im August 1939 die letzten Noten seines Divertimentos für Streichorchester schrieb, war die Welt um ihn herum bereits von einem unheimlichen Wirbel erfasst. Es waren gerade einmal noch zwei Wochen, bis Deutschland Polen überfallen sollte. Selbst in der alpinen Idylle des Berner Oberlandes spürte Bartók das Fieber, das Europa überzog.

Besonders im zweiten Satz des Divertimentos scheint an diesem Abend im Berliner Konzerthaus beim 12. Konzert von Young Euro Classic Bartóks schreckensstarrer Blick auf die allgemeine Mobilmachung hervorzublitzen. Drohend, fast beklemmend lassen die Musiker des Danubia Symphonieorchesters aus Ungarn den langsamen Satz aus den tiefen Streichern heraus entstehen. Die Geigen, wie blass vor Angst, schleppen sich erst dahin, steigern sich dann zu einem entsetzten Kreischen, auf das die Bratschen seufzend antworten. Eine in dissonante Klänge gefasste Gewissheit, dass die Welt, so wie man sie bis dahin kannte, bald nicht mehr existieren würde.

Ähnlich grüblerische Tiefen entdecken die jungen Musiker unter Domonkos Héja auch in der zweiten Symphonie des Ungarn Emil Petrovics. Obwohl das Stück erst 2001 geschrieben wurde und damit das modernste des Programms ist, überwiegt ein eher konservativ expressiver Ton. Das Orchester gibt sich diesem scheinbaren Anachronismus mit äußerst facettenreicher Artikulation hin: Scharf gezackte Rhythmen und dichte, sich förmlich aneinander wund reibende Klangflächen bereiten souverän den Boden für den zuversichtlich gestimmten Finalsatz zu. Erst mit den sprudelnd-quirligen, schwirrenden und surrenden „Symphonischen Minuten“ von Ernö Dohnányi geht es an diesem Abend dann vollends zurück in die heiteren Sphären des Lebens.Dorte Eilers

Dorte Eilers

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