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Baden-Baden, Schauplatz für viele von Otto Jägerbergs Geschichten.

© dpa / picture-alliance

Prosa von Otto Jägersberg: Ode an das Allerdings

Hintersinnige Wirklichkeitserkundungen: Otto Jägersberg schweift in seiner neuen Prosasammlung „Die Frau des Croupiers“ durch die Gegenwart.

Im KaDeWe streift eine Frau durch die Herrenabteilung, in der ihr Exfreund arbeitet. Aus den Lautsprechern ertönt Easy-Listening, in ihrer Handtasche schlummert eine Pistole. Wird Irene ihren Ex damit zur Strecke bringen? Otto Jägersberg bricht die Prosaminiatur „Mord“ mit einem Cliffhanger ab. Die Szene bleibt in der Schwebe. Ähnliche Effekte haben viele Texte aus Otto Jägersbergs neuer Prosasammlung, die zwischen einem Satz und 30 Seiten variieren. Häufig handelt es sich um Feuilletons und Kalendergeschichten im klassischen Sinne. „Allerdings 1“ und „Allerdings 2“ drehen sich um einen wasserscheuen See-Anrainer und falsch verwendete Dialekte in Hörspielen.

Dazwischen finden sich Aperçus, die das Triviale nicht scheuen. Oft geht es in die Kindheit zurück, etwa in der Titelgeschichte „Die Frau des Croupiers“. Diese verströmt keineswegs Casino-Atmosphäre, sondern schildert das kuriose Schicksal eines jugendlichen Bankräubers aus dem Badischen. Überhaupt Baden-Baden, Jägersbergs langjährige Wahlheimat: Immer wieder setzt der 1942 im westfälischen Hiltrup geborene Erzähler dort seine hintersinnigen Wirklichkeitserkundungen an: „Zwei betagte Schriftsteller, denen ihre Erfolglosigkeit nichts mehr anhaben konnte, zähe Burschen also, Clemens Furrer und Hajo Beuttenmüller, trafen sich in der Lichtenthaler Allee.“

Aus solchen Zeilen scheint leise Verbitterung über die Rezeption des eigenen Werks zu sprechen. An Jägersbergs Debüt mit dem Titel „Weihrauch und Pumpernickel“ (1964) lobte Arno Schmidt dessen „gewandte Derbheit“. Schmidt sei nie zur Frankfurter Buchmesse gefahren, schreibt Jägersberg nun, hingegen soll H. M. Enzensberger dort in Ringelsöckchen aufgetaucht sein. Diese Geschmacksverirrung ist einer jener zahllosen Widerhaken, die Otto Jägersberg als Poet des „Allerdings“ so gekonnt der Wirklichkeit einzieht.

Otto Jägersberg: Die Frau des Croupiers. Prosa. Diogenes Verlag, Zürich 2016. 240 Seiten, 16,99 €.

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