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Kultur: Prostitution: Bloß nicht krank werden

Der elfjährige Jonah weiß nichts vom Beruf seiner Mutter. Geht die dunkelblonde Frau im schwarzen Hosenanzug abends zur Arbeit, so denkt Jonah, sie schenkt Bier aus, serviert Schnitzel und kassiert bei den Gästen, so wie früher.

Der elfjährige Jonah weiß nichts vom Beruf seiner Mutter. Geht die dunkelblonde Frau im schwarzen Hosenanzug abends zur Arbeit, so denkt Jonah, sie schenkt Bier aus, serviert Schnitzel und kassiert bei den Gästen, so wie früher. Diana W. aber bedient nur Männer - und kassiert dafür einen Hurenlohn. Die 34-jährige Restaurantfachfrau arbeitet im bundesweit bekannt gewordenen Café Pssst in Berlin. Während die Bundesregierung jetzt erst ein Gesetz auf den Weg schickt, das Prostituierten Krankenversicherung und ein gesichertes Arbeitsverhältnis ermöglichen soll, ist die Hauptstadt schon einen kleinen Schritt weiter.

Im Dezember 2000 hatte das Berliner Verwaltungsgericht eine von den Ordnungsbehörden verfügte Schließung des Café Pssst zurückgewiesen. Prostitution sei akzeptierter Teil der Gesellschaft und nicht mehr grundsätzlich als sittenwidrig zu betrachten, urteilte der Vorsitzende Richter Percy MacLean. In der Begründung war der zu erwartende Gesetzentwurf schon berücksichtigt. Denn die Sittenwidrigkeit war es bislang, die ein normales Anstellungs- und damit Vertragsverhältnis unmöglich machte.

Fünf Mark für die Cola

Fernab von den Berliner Straßenstrichen, in der Brandenburgischen Straße, hat sich Felicitas Weigmann eine dezente Werbung ausgedacht. Nur die fünf Zeichen "Pssst" blinken als grüne Leuchtbuchstaben im Fenster ihres Etablissements. Wer hier herkommt, den erwartet in den Abendstunden "Rundumverwöhnung in angenehmer Atmosphäre zum Pauschalpreis". In einem der sieben Zimmer im Hinterhof lockt ein Wasserbett, und Felicitas Weigmann verspricht "keine billige Anmachatmosphäre". Die Cola kostet bezahlbare fünf Mark, die Flasche Prosecco gibt es für 55 Mark.

Auch das Café Pssst bietet keinen Arbeitsvertrag und keine Versicherung. Doch die Preise sind für alle gleich. Für 60 Mark vermietet Weigmann die Zimmer, bleiben vom Pauschalpreis noch 140 Mark für die Prostituierten. Diana W. würde in keinem anderen Bordell arbeiten wollen. Der eigenen Sicherheit wegen. Und um selbst zu bestimmen, wann, wie und unter welchen Bedingungen sie anschafft. "In anderen Betrieben wird man gezwungen, Alkohol zu trinken - um den Umsatz zu steigern", so W. "Und wenn der Gast es will, muss man koksen, so einfach ist das." Nichts ist geregelt, also wird der Wunsch des Gastes zur Pflicht. Bei Weigmann arbeiten die Frauen freiwillig, Getränke spielen beim Umsatz der Huren keine Rolle, und die Sicherheit gehört dazu.

Zum Sozialamt - nie

Vor etwas mehr als drei Jahren war Diana W. noch eine verheiratete Frau mit Kind und Berufsausbildung. Dann kamen die Scheidung, die Jobsuche und die Angst vor dem Sozialamt. "Alleinerziehend und mein Ex-Mann zahlt nur den Kindesunterhalt - wie soll ich das sonst machen?", fragt die Teilzeitprostituierte. Zum Sozialamt? "Nie und nimmer geh ich da hin." Also führte sie ihr Weg in das Gewerbe. Bei 140 Mark pro Gast können schon einmal 500 bis 1000 Mark am Abend zusammenkommen. Je nach Engagement, Konjunktur und Wetter.

Um ihre Sozial- und Krankenversicherung sicherzustellen, arbeitet Diana W. auch noch als Bürokauffrau. Dennoch hält sie nicht viel vom Vorhaben der Bundesregierung. "Ein festes Arbeitsverhältnis bedeutet doch auch Steuern, da kann ich doch gleich nur im Büro arbeiten." Und da hätte sie wieder keine Zeit für ihr Kind. Und wenn sie einmal krank wird? Ihre Antwort würde wohl vor allem die FDP glücklich machen, die die Eigenverantwortung so gerne betont. Während beispielsweise beim Berliner Verfassungsschutz die höchste Krankenrate zu verzeichnen ist, gibt Diana W. eine bündige Auskunft: "Krank werde ich einfach nicht."

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