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Proteste gegen Einschnitte: Filmfest von Rom hat begonnen

Lokal, global, Skandal: das Filmfest von Rom startet wenig glanzvoll und leidet unter der Politik der Rechten.

Ein glanzvoller Start sieht anders aus. Eigentlich sollten Keira Knightley und Eva Mendes, Stars des Eröffnungsfilms „Last Night“, den ersten Abend des Filmfestivals von Rom mit ihrer Anwesenheit adeln. Statt dessen kaperten etliche hundert italienische Filmschaffende den roten Teppich und protestierten lautstark gegen gravierende Einschnitte in der Kulturförderung. Sie waren von Piera Detassis, der künstlerischen Leiterin des Festivals, vorgelassen worden. Die Stars nahmen derweil den Hintereingang.

Das Klima zwischen Politik und Kulturschaffenden in Italien ist vergiftet. Etats werden gekürzt, Künstler als Parasiten bezeichnet. Prompt ließ die Berlusconi-Regierung verlauten, die Filmschaffenden hätten mit ihrer Aktion zur Gala-Premiere dem Standort Italien geschadet.

Italiens Kulturpolitik ist provinziell, ja intellektuellenfeindlich geworden. Selbst der Dirigent Riccardo Muti, der im Dezember die künstlerische Leitung des römischen Teatro dell’Opera übernehmen sollte, sagte jetzt kurzfristig mit der Begründung ab, er fühle sich in Chicago wohler. Immerhin soll Kulturminister Sandro Bondi, treuer Gefolgsmann Berlusconis, aus Protest gegen die Einschnitte in seinem Ressort inzwischen mit Rücktritt gedroht haben.

Auch das Filmfest leidet unter der Politik der italienischen Rechten. 2008 wurde Gianni Alemanno von der Alleanza Nazionale Bürgermeister Roms. Im Wahlkampf hatte er keinen Hehl gemacht aus seiner Ablehnung für die großzügige Festival-Förderung seines Vorgängers Walter Veltroni. Wochenlang wussten die Mitarbeiter des 2006 gegründeten Festivals nicht, ob es überhaupt stattfinden würde. Die Folge: Der dritte Jahrgang enttäuschte mit einem derart schwachen Programm, dass ein Kolumnist in „La Repubblica“ die sofortige Abschaffung forderte.

Das Festival, das noch bis zum Wochenende läuft, hat sich davon noch nicht erholt. Zwar kann sich der Jahrgang 2010 sehen lassen: Der Wettbewerb und die Sektion „Spettacolo“ sind solide bestückt, die Reihe „Extra“ hält hübsche Überraschungen bereit. Martin Scorsese, Bruce Springsteen, Julianne Moore, Shah Rukh Khan waren angereist. Doch von dem Glanz der ersten Jahre, als man nah dran war, dem Festival von Venedig den Rang streitig zu machen, ist man weit entfernt.

Gianni Alemanno übrigens, der sich einst damit brüstete, das Festival nicht zu besuchen, trat diesmal selbst auf die Bühne. Der Anlass: Im Beisein von Martin Scorsese und Anita Ekberg feierte die vorzüglich restaurierte Fassung von Fellinis „La Dolce Vita“ Premiere.

Gegen Alemannos Präsenz gab es keine Buhs – vielleicht, weil jene Rechtspopulisten, die sich einst so ereiferten, dass Nicole Kidman angeblich 18 Hotelzimmer beanspruchte, nun den italienischen Film stärken? Weit gefehlt. Die legendäre Filmstadt Cinecittà etwa, an der der Staat zuletzt noch 20 Prozent gehalten hatte, soll nun ganz an eine Holding gehen, die an Filmkunst kaum, an TV-Produktionen jedoch sehr interessiert ist.

Unter all dem hat die Strahlkraft des Festivals gelitten. Abends trifft man dort kaum auf internationale Journalisten und Mitarbeiter der Filmbranche. Andererseits ist das Fest so ganz in den Händen der Römer, die sich herausputzen und in die vollen Elektro-Busse zwängen, um sich und den Glamour und die Kultur zu feiern. Es gibt Schlimmeres. Sebastian Handke

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