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Vorher. Marion Crane (Janet Leigh) unter der Dusche.

© cinetext

"Psycho"-Jubiläum: "Ich las es in einem durch. Hypnotisiert."

Der Mann im Hintergrund: Vor 50 Jahren wurde Alfred Hitchcocks Thriller "Psycho" uraufgeführt. Der Romanautor Robert Bloch ist weithin vergessen.

Robert Bloch muss kräftig geflucht haben. Er wurde über den Tisch gezogen, in mehrfacher Hinsicht. Zunächst teilte ihm sein Agent mit, dass es da eine Anfrage wegen der Filmrechte an Blochs frisch erschienenem Roman „Psycho“ gebe. Der Schriftsteller willigte rasch in den Verkauf ein, die unbekannten Herren boten 9000 Dollar. Nach Steuern und den Anteilen für Verlagshaus und Agent blieben Bloch 6750 Dollar übrig. Eigentlich ein hübsches Sümmchen, wäre der Verkauf der Filmrechte nicht über Strohmänner erfolgt: Hinter dem Deal steckte Alfred Hitchcock.

Vor 50 Jahren, am 16. Juni 1960, feierte sein Thriller „Psycho“ in New York Weltpremiere, sechseinhalb Jahre später hatte der für nur 800.000 Dollar produzierte Film allein in Nordamerika 14 Millionen Dollar eingespielt – bei einem durchschnittlichen Kartenpreis von 75 Cent. Eine prozentuale Beteiligung gab es für den Romanautor nicht. Bloch muss sehr kräftig geflucht haben.

Das ist die kaufmännische Seite. Aber sie steht exemplarisch für den Umgang mit Robert Blochs künstlerischer Vorlage. Im filmwissenschaftlichen Diskurs über Alfred Hitchcock und „Psycho“ taucht er meist nur als Fußnote auf. Dabei hat er sämtliche dramaturgischen und fast alle atmosphärischen Elemente der Geschichte vorgegeben, wie zum Beispiel das Voyeur-Motiv, die Ödipus-Variation, das Gothic-Ambiente. François Truffaut, der mit Hitchcock lange Interviews führte („Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?“ 1966, als Taschenbuch bei Heyne) , sprach im Gespräch mit der Regie-Ikone von „miesen Tricks“, mit denen Bloch arbeite. Viele „Psycho“-Analytiker plapperten Truffauts Urteil eifrig nach, offenbar ohne sich näher mit dem Roman befasst zu haben.

Hitchcock las Robert Blochs Gruselgeschichte, nachdem ihm eine überaus positive Rezension in der „New York Times“ aufgefallen war – und erkannte sofort das Potenzial für eine Verfilmung. Es ist exzellent, sagte er zu seiner Assistentin Peggy Robertson, wir sollten es uns gleich sichern. Hauptdarstellerin Janet Leigh, die als Marion Crane unter der Dusche in die Filmgeschichte einging, schrieb in ihren Erinnerungen „Psycho – Behind The Scenes Of The Classic Thriller“: „Ich las es in einem durch. Hypnotisiert. Es war quälend geschrieben. Entsetzlich, traurig, aufregend. Ich brannte in Vorfreude auf das, was der ‚Master Of Suspense’ aus diesem Material machen würde.“

Blochs Vorlage floss fast vollständig in das Drehbuch von Joseph Stefano ein, bis ins kleinste Detail. Die wichtigste Änderung war der Typwandel des Norman Bates. Aus dem dickleibigen, ständig schwitzenden Brillenträger mit schütterem Haar wurde Anthony Perkins. Jung, smart, gut aussehend. Ein Sympathieträger und dadurch ein umso härterer Schock für das Publikum, als es erfährt, wer in Wirklichkeit als „Mutter“ verkleidet das Schlachtermesser schwingt.

Hitchcock und sein Drehbuchautor Stefano fügten außerdem das Vogel-Motiv ein, allerdings gab es den Figurennamen „Crane“ (Kranich) und Norman Bates’ Hobby der Taxidermie, des Ausstopfens toter Tiere, schon im Roman. Die Duschszene findet sich ebenfalls haargenau in Blochs Thriller, bloß wurde dort der jungen Frau der Kopf abgeschnitten. Das konnte man 1960 beim besten Willen nicht auf der Leinwand zeigen.

Hitchcocks Meisterleistung besteht in seiner brillanten, suggestiv-rauschhaften Bildmontage – veredelt durch Bernard Herrmanns schrille Streicher-Glissandi. Hitchcock nutzte also die Möglichkeiten des Films, wie ein Buch sie gar nicht aufbieten kann. Dennoch werden diese für Bloch negativ ausfallenden Vergleiche immer wieder angestellt.

Robert Bloch (1917–1994) hatte schon als Teenager mit dem Schreiben begonnen. Der Protegé von H. P. Lovecraft verkaufte 1933 seine erste Kurzgeschichte an das Magazin „Weird Tales“ (Unheimliche Geschichten) und etablierte sich auf dem Markt der damals überaus populären Groschenhefte, die Elemente aus dem Krimi, dem Horror- und Fantasy-Genre sowie übernatürliche und okkulte Zutaten miteinander verquickten. Seinem Romandebüt „The Scarf“ (Das Halstuch) von 1947 folgten 20 weitere Romane sowie rund 400 Kurzgeschichten. Das Werk, das ihm den größten Bekanntheitsgrad bescherte, war freilich „Psycho“ (1959).

Hitchcock übernahm für seinen Schwarz-Weiß-Klassiker sogar die Schlussszene aus Blochs Buch: Norman Bates sitzt auf dem Polizeirevier in einem bewachten Raum, als sich eine Fliege auf seiner Hand niederlässt. In Normans Kopf meldet sich „Mutters“ Stimme, er ist ganz „Mutter“ in diesem Moment. Wenn die Leute sie jetzt nur sehen könnten, wie sie selbst dieser kleinen Fliege kein Leid zufüge, dann müsse man sie doch für einen harmlosen Menschen halten.

Später trug der Regisseur selbst zur Rehabilitierung des „Psycho“-Autors bei – was allerdings nur Fachkreise erreichte. Im Gespräch mit Charles Higham für dessen 1971 erschienenes Buch „The Celluloid Muse“ gestand er: „ ,Psycho’ kam vollständig von Robert Bloch (…) Joseph Stefano steuerte größtenteils Dialoge bei, keine Ideen.“ Und im letzten Interview vor seinem Tod bewies Robert Bloch in Sachen „Psycho“ durchaus Galgenhumor, als er auf die 9000 Dollar für die Filmrechte angesprochen wurde. Es hätte schlimmer kommen können, meinte er. Das erste Angebot hatte bei 5000 Dollar gelegen.

Soeben ist bei Suhrkamp eine Monografie über den Regisseur erschienen: Thilo Wydra: Alfred Hitchcock. Leben. Werk. Wirkung (160 S., 8,90 €)

Hagen Haas

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