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Szene aus „Rettet die Sockel“.

©  Bühnen Halle/Falk Wenzel

Puppentheater Halle: Monument für den Moment

Sympathische Cyborgs: Das Puppentheater Halle kooperiert mit der berühmten Handspring Puppet Company aus Kapstadt.

Die Puppen sind hier größer als die Menschen. Man könnte sie als – allerdings sehr sympathische – Cyborgs bezeichnen: Die Spieler schlüpfen unter das Gestell, die Arme der Großpuppe werden von manchmal mehreren Menschen mittels Stangen bewegt. Alles ist transparent an dieser Technik. Die berühmte Handspring Puppet Company aus Kapstadt hat auf diese Weise auch die Tiere für das „War Horse“-Musical gebaut, und William Kentridge, einer der bedeutendsten südafrikanischen Künstler, hat mit diesen Puppen-Feinmechanikern und der Regisseurin Robyn Orlin ein Stück über die Wahrheits- und Versöhnungskommission in Südafrika entwickelt.

Jetzt sind zwei dieser Prachtexemplare im Puppentheater Halle in Aktion. Robyn Orlin fand für diese Kooperation ein Thema, das in der ehemaligen DDR seinen Platz hat – und wo nicht auf der Welt? „Rettet die Sockel – Save the Pedestal“ basiert auf eine Erzählung von Ivan Vladislavic. Der Titel ist wörtlich zu nehmen: Wenn nach einem politischen Umsturz die Statuen der alten Machthaber kippen, dann, ja, behaltet die Steine, auf denen sie standen. Sie werden noch gebraucht.

Für neue Heldinnen und Helden? Das wäre die Frage. Zwei Puppen, für Spieler: Viel Handlung gibt es nicht, dafür Gefühle, Träume, Streitgespräche. Die Denkmal-Dialektik steckt schon in dem Umstand, dass die Puppen selbst überlebensgroß und bewegte Standbilder sind. Er: ein alter Kommunist. Sie: eine Dichterin. Nach der Apartheid. Er war im Gefängnis, sie im Exil. Möglicherweise waren oder sind sie ein Paar. Kein Wunder, dass sie auch in besseren Zeiten noch von wilden Träumen verfolgt werden, die in Robyn Orlins Inszenierung breiten Raum einnehmen. Im linken Auge haben die bunten Puppen eine Kamera, was ihnen in ihren gewaltigen Köpfen herumspukt, sieht das Publikum auf Videos.

Kann man den Puppen trauen?

Francesca Spinazzi und Andreas Hillger haben das Projekt dramaturgisch betreut, gefördert wird „Rettet die Sockel“ von der Kulturstiftung des Bundes. Torsten Maß hat das alles koordiniert. Am 21., 22. und 23. November sind wieder Vorstellungen in Halle, nächstes Jahr geht es zu Gastspielen nach Südafrika und nach Paris. Auch dort mangelt es nicht an Denkmälern.

Das Stück hat einen eigentümlichen Charme. So ruhig und leblos stehen die beiden Riesen da, sie warten auf ihre Spieler, ihre Beweger, die den Objekten ihr Temperament leihen. Die für sie essen, lachen, sprechen. Aus dieser Statik und durch ihre Größe gewinnen die Puppen ihr Eigenleben. Kann man ihnen trauen? Erzählen sie nicht bloß komische Märchen? Adrian Kohler von der Handspring Puppet Company hat die dinosaurierartigen Geschöpfe für Halle designt.

Verhältnis von Gestürzten und Erhöhten

Saddam Hussein wurde vom Sockel gestoßen. Lenin verschwand aus dem Stadtbild in Berlin, in Russland steht er massenhaft herum. Das verschlüsselte Stück handelt auch davon, dass sich das Verhältnis von Gestürzten und Erhöhten immer wieder ändern kann. Und fragt wohl auch, ob es überhaupt nötig ist, irgendjemanden aufs Podest zu stellen?

Die Heldendarsteller in Halle geben darauf eine Antwort. In einer fröhlich-wilden Schlussszene wird ein Doppel-Denkmal mit den Puppenriesen arrangiert, mit allen Klamotten und Requisiten des Stücks, mit allem, was sich auf die Schnelle in einem Theater finden lässt. Ein Denkmal-Happening mit improvisierten menschlichen Springbrunnen und angebissener Pizza, eine Installation mit Kunstblumen und kleinen Püppchen zu Füßen ihrer mächtigen Artgenossen. Ein Monument für den Moment, nur möglich im Theater.

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