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Kultur: Radunskis Favorit ist der Kölner Hausregisseur Volker Hesse

Die Besten kommen von selbst nach Berlin. Der Satz gehört zum Repertoire des scheidenden Kultursenators, daran glaubt Peter Radunski felsenfest.

Die Besten kommen von selbst nach Berlin. Der Satz gehört zum Repertoire des scheidenden Kultursenators, daran glaubt Peter Radunski felsenfest. Es war in den vergangenen vier Jahren seine personalpolitische Maxime, dass der Sog der Hauptstadt für die führenden Künstler und Intendanten unwiderstehlich sei. Die Realität sieht manchmal anders aus, und auch Radunskis Verhandlungsgeschick lässt Zweifel an solch überbordendem Optimismus aufkommen. Die brüske Verabschiedung von Thomas Langhoff und die Kür seines Nachfolgers Bernd Wilms hat man plastisch vor Augen.

Es ist eine zusammenhängende, noch lange nicht ausgestandene Geschichte. Weil Bernd Wilms im Jahre 2001 die Intendanz des Deutschen Theaters übernehmen soll, muss auch die Intendantenfrage am Maxim Gorki Theater alsbald geregelt werden. Radunski hat einen Favoriten: Volker Hesse. Zur Zeit ist der in Berlin nicht Unbekannte in Köln als Hausregisseur beschäftigt, davor hat er sich als Leiter des Zürcher Theaters am Neumarkt einen ausgezeichneten Ruf erworben. Inszenenierungen von Volker Hesse ("Top Dogs", "In Sekten") sah man zuletzt auch beim Theatertreffen. Zwischen Zürich und Berlin liegen Welten. Doch die beiden Häuser, das Neumarkt- und das Gorki Theater, haben eine kompatible Größe, und dass Volker Hesse mit seinem Kompagnon, dem Dramaturgen Stephan Müller, hier einen individuellen, experimentierfreudigen Spielplan realisierten könnte, leuchtet ein. Hesse praktiziert ein ambitioniertes Ensembletheater, in dem Stoffe und Stücke oft improvisatorisch entwickelt werden - der Kontrast zu dem erfolgreichen Programm von Bernd Wilms, der Stars wie Harald Juhnke, Ben Becker und Katharina Thalbach an den Linden-Boulevard holte, wäre denkbar scharf und aufschlussreich.

Doch gar nichts ist sicher. Keineswegs sitzt der Wunschkandidat auf gepackten Koffern. Radunski hat mit Hesse telefoniert. Beide hätten, so die gestrige Auskunft aus der Kulturverwaltung und aus Köln, Interesse bekundet. Bis Jahresende will Radunski mit Hesse einig geworden sein.

Da ist nun wieder Skepsis angebracht. In Kürze bricht der Senator zu einer USA-Reise auf, Mitte November wird er in Berlin zurückerwartet. Ein persönliches Zusammentreffen mit Hesse kann erst in einigen Wochen zustandekommen. Und man weiß, wie langsam und umständlich die Mühlen bei Radunski mahlen, wie schwer er sich tut im direkten Kontakt mit Theaterleuten. Der Name Volker Hesse ist ja bereits seit Monaten immer wieder im Zusammenhang mit dem Maxim Gorki Theater genannt worden, auch Ulrich Tukur war einmal im Gespräch. Jetzt will sich Radunski, der schlechte Erfahrungen mit mehrgleisigen Kandidatengesprächen gemacht hat, ganz auf Hesse konzentrieren.

Es überrascht, dass der Kultursenator überhaupt noch tätig wird in dieser Angelegenheit - oder Aktivität vorschützt. Am Abend der Abgeordnetenhauswahl gab Peter Radunski zur allgemeinen Verblüffung seinen Rückzug aus dem Senat bekannt. Kann er, soll er seinen - bisher nicht bekannten - Nachfolger in der Senatsverwaltung für Wisenschaft, Forschung und Kultur vor eine vollendete oder, ebenso problematisch, eventuell halbfertige Personalentscheidung stellen?

Das bei solchen Berufungen übliche Prozedere spricht im übrigen nicht für einen raschen Abschluss. Und damit ist man wieder bei Bernd Wilms. Dessen Vertrag für das Deutsche Theater steht am 28. Oktober wider Erwarten nicht auf der Tagesordnung der Personalkommission des Senats und kann nun frühestens im Dezember ratifiziert werden - ein erheblicher Zeitverlust für Bernd Wilms, der ja irgendwann einmal verbindlich mit den Vorbereitungen für seine Intendanz beginnen muss. Hoffentlich wiederholt sich dies nicht: Radunski prescht mit einem Namen vor. Und legt die ganze Geschichte erst einmal beiseite.

Rüdiger Schaper

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