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Rammstein live in Odense.

© IMAGO/Gonzales Photo/Sebastian Dammark

Update

„Pussy“ gestrichen, Konzertpause kürzer, Demo: Das lief anders beim Rammstein-Konzert in München

Seit Tagen stehen Rammstein und ihr Frontmann Till Lindemann wegen Vorwürfen mehrerer Frauen in den Schlagzeilen. Am Mittwochabend trat die Band in München auf. Lindemann sagte nur wenig.

Von Lisa Plank

| Update:

Es könnte ein guter Tag sein. Die Sonne scheint, das Bier schmeckt, Rammstein tritt auf – mit dem ersten von gleich vier Konzerten im Münchener Olympiastadion. Es könnte ein guter Tag sein, wären da nicht die Vorwürfe gegen Till Lindemann. Und die Aktivisten, die den Fans keine Chance geben wollen, die Nachrichten der vergangenen Woche zu vergessen.

Mehrere junge Frauen aus verschiedenen Ländern haben schwere Anschuldigungen gegen Rammstein-Frontmann Lindemann erhoben. Sie erzählen, dass sie gezielt rekrutiert wurden, um mit dem Rammstein-Sänger während und nach dem Konzert Sex zu haben. Manche versichern, dass sie dem nicht zugestimmt haben. Andere sprechen von Filmrissen, blauen Flecken und vermuten vorab verabreichte K.-o.-Tropfen.

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Die ersten Rammstein-Fans tummeln sich schon morgens im Olympiapark, am Nachmittag beginnt der Einlass. Eine junge Frau läuft Hand in Hand mit ihrem Freund, sie drückt sich an ihn. „Ich bin schon ein bisschen aufgeregt“, sagt sie und kichert.

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Fast alle Fans tragen schwarze Kleidung, auf ihren Shirts prangt das Logo von Rammstein. Manche Gäste sind sehr alt, andere sehr jung. Manche bringen eine Freundin mit, andere die ganze Familie.

Manche Rammstein-Fans hören zu, andere werden wütend

Doch die Fans sind nicht allein: Am Osteingang der Olympiahalle wartet eine Gruppe in bunten Outfits und mit Plakaten. „Bist du Fan?“, fragen sie einander. Ein kurzes Kopfschütteln, dann begrüßen sie sich fröhlich. Am Ende sind es rund 60 Demonstrierende. Verglichen mit den 60.000 Konzertbesuchern am Tag eine verschwindend kleine Gruppe.

Trotzdem schaffen sie es, die Aufmerksamkeit der Konzertbesucher für sich zu gewinnen. „Rammstein ist der größte Schmutz, gegen jeden Täterschutz“, skandieren sie im Chor. „Schämt euch! Schämt euch, dass ihr auf dieses Vergewaltigerkonzert geht!“, schreit eine Frau in ein Megafon. „Das Opfer ist nie Schuld“ oder „Keine Show für Täter“ steht auf den Plakaten.

Wahrscheinlich ist an den Vorwürfen was dran. Wir versuchen trotzdem, die Kunst vom Künstler zu trennen.

Eine Besucherin des Rammstein-Konzerts in München

Konzertbesucher reagieren wütend: „Geht doch arbeiten“, rufen mehrere Männer. „Die würde eh niemand anfassen“, sagt ein weiterer Mann. Andere gehen wortlos vorbei, heben den Mittelfinger, brechen in Gelächter aus.

Doch nicht alle lehnen die Demonstration ab. „Wir unterstützen die Werte total“, sagt einer, der mit seiner Freundin auf dem Weg zum Stadion stehenbleibt und eineinhalb Stunden zuhört. Sie sind aus Salzburg angereist, namentlich genannt werden wollen sie nicht. „Wahrscheinlich ist an den Vorwürfen was dran. Wir versuchen trotzdem, die Kunst vom Künstler zu trennen“, sagt die Frau.

Aktivisten demonstrieren vor Beginn des Konzertes der Band Rammstein vor dem Olympiapark.
Aktivisten demonstrieren vor Beginn des Konzertes der Band Rammstein vor dem Olympiapark.

© dpa/Sven Hoppe

Ihr Freund meint: „Das bedeutet ja nicht, dass man die Kunst nicht rezipieren kann. Wir gehen da jetzt hin, weil die Tickets teuer waren und wir uns darauf gefreut haben, aber wir denken da schon drüber nach.“ Eine Konzertbesucherin schließt sich den Demonstrierenden an und zerreißt ihr Ticket.

„Für mich gilt die Unschuldsvermutung“, sagt Christian Lindner (nicht der Finanzminister). „Ich möchte niemanden verfrüht verurteilen, das muss von einem Gericht geklärt werden. Wenn sich die Vorwürfe bewahrheiten, geht das gar nicht. Aber jetzt freue ich mich erstmal, endlich mal wieder auf ein Konzert gehen zu können.“

Timo, der seinen Nachnamen nicht in diesem Artikel lesen möchte, meint: „Ich habe die Berichterstattung gänzlich ignoriert. Wir gehen jeden Tag unserer Arbeit nach, jetzt wollen wir Spaß haben an der Kunst, die gezeigt wird.“

Die Vorwürfe werden von Rammstein nicht angesprochen

Auf dem Konzertgelände ist die angespannte Stimmung weitestgehend verflogen. Die letzten Gäste holen sich ein Bier und eilen auf ihre Plätze. Bloß nichts verpassen.

Dann gleitet Till Lindemann von oben hinab auf die Bühne. Das Stadion ist in schwarzen Rauch gehüllt, auch der Rammstein-Frontsänger ist kurz nicht mehr zu sehen, erscheint jedoch pünktlich zum Gitarrenriff des ersten Songs „Rammlied“.

Es geht weiter mit „Links 2-3-4“, „Bestrafe mich“, „Sehnsucht“ und „Mein Herz brennt“. Jetzt wird das Potenzial der Pyrotechnik ausgeschöpft, Lindemann steckt sich einen Flammenwerfer auf die Brust. Kurz darauf feuern auch die Flammenwerfer auf den Säulen im Stadion ab.

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Keine begrüßenden Worte. Die Vorwürfe werden nicht angesprochen. Stattdessen gibt es einige Änderungen im Programm. „Pussy“ wurde aus der Setlist gestrichen. Der riesige Penis, den Lindemann dabei gewöhnlich reitet, kommt nicht zum Einsatz.

Auch die Konzertpause dauert deutlich kürzer als gewohnt. Anders als bei anderen Konzerten verschwindet Lindemann dabei nicht unter der Bühne, sondern steigt nur eine Treppe hinab.

„Jetzt steigt er bestimmt runter in seinen Raum“, sagt einer der Gäste im Innenraum während des „Deutschland-Mix“ und lacht. Auf die Frage, was er von den Vorwürfen hält, winkt er ab. „Das ist doch alles PR. Ein Bad Boy verkauft sich halt gut.“

Als Lindemann zurückkommt, trägt er eine weiße Jacke. Es folgen „Du hast“, „Hier kommt die Sonne“, „Ohne Dich“ und „Rammstein“. Die Band fährt mit einem Schlauchboot durch die Menge, Lindemann mit Flügeln aus Feuer.

Lindemann dankt München

Und plötzlich spricht der Sänger doch: „Ich will!“ Lindemann beugt sich zum Publikum und singt besonders deutlich weiter: „Wir wollen, dass ihr uns vertraut. Wir wollen, dass ihr uns alles glaubt.“ Das Publikum applaudiert laut, alle Augen auf Lindemann gerichtet.

Es scheint, als fühle man sich verstanden. „München, Danke schön!“, ruft der Rammstein-Sänger. Weißes Konfetti. Zugabe-Rufe. Die Band geht zur vorderen Kante der Bühne, kniet sich hin, wartet einen Moment, steht auf. „München, danke, dass ihr hier und bei uns wart“, sagt Lindemann.

Kurz danach bahnt sich die Menge ihren Weg durch den Olympiapark. Eine Frau greift nach ihrem Telefon, öffnet WhatsApp und startet eine Sprachnachricht. „Hey, das kannst du dir nicht vorstellen, da waren so Aktivistinnen.“

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