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Kultur: Rap und Rock für die Russlandunion

Wie Moskau seine Hymne aufmotzen will.

Nie lauschte Russland den trostreichen Worten seines Präsidenten zum Jahreswechsel aufmerksamer als Silvester 2000. Nach Wladimir Putins Ansprache sollte erstmalig wieder die Hymne der Sowjetunion erklingen. Mit neuem Text, an der Partitur indes wurde nicht eine Note geändert. Denn bei dieser Musik läuft selbst militanten Antikommunisten eine Gänsehaut über den Rücken. Unter Musikwissenschaftlern gilt sie als eine der besten weltweit. Als Staatslied in assoluto. Überwältigend, so lautet das Urteil einfacherer Gemüter.

Schwach wurde auch der belgische Popstar Helmut Lotti. 2007 trug er das Lied der Lieder auf dem Moskauer Roten Platz vor, in Pseudo-Kosaken-Litewka, sekundiert von Soldatenchor und Militärorchester. Die Generation vierzig minus indes ließ sich durch den westlichen Schmachtfetzen so wenig vom Hocker reißen wie von der Originalversion. Für die patriotische Erziehung der Jugend müsse daher eine moderne Light-Version her, sagte Verteidigungsminister Sergei Schoygu, einer der einflussreichsten Politiker in Moskau, der regierungsnahen Zeitung „Iswestija“.

Zwar soll das Grundrauschen in bewährter Weise „Russlands singende Waffe“ übernehmen: das Tanz- und Gesangsensemble der Armee, das sich nach seinem Gründer Alexander Alexandrow nennt. Der einstige Kirchenmusikdirektor komponierte auch die Melodie, die 1944 erste Hymne der Sowjetunion wurde. Bis dahin war die „Internationale“ das Staatslied.

Ursprünglich war bei der Neuaufnahme der Sowjethymne der alten Garde des sowjetischen Pop eine tragende Rolle zugedacht: Josef Kobson oder Larissa Dolina. Doch die dauergewellte Dame ist so alt wie Madonna, der skandalumtoste Kobson Jahrgang 1937. Da helfen auch betont jugendliches Outfit und stundenlanges Anti-Aging in der Maske nicht mehr.

Auch Dina Garipowa, die Russland beim letzten Eurovision Song Contest vertrat und mit Platz fünf einen Achtungserfolg erzielte, ist aus dem Rennen; zu soft, zu austauschbar. Als erste Wahl der Regierung gilt die Gruppe Ljubé. Sie spielen bereits seit der Perestroika zusammen, sind auch in die Jahre gekommen. Doch sie genießen bei der jungen Generation Kultstatus. Ihre Songs sind ein Mix aus Rock, Pop, Folklore und Soldatenlied. Ihre Alben sind Bestseller, vor allem der Soundtrack zum Film „Kombat“, der Moskaus Tschetschenienkrieg romantisiert (Kostprobe: youtube.com/watch?v=v4C5wSOM9Z0). An einer Rockversion der russischen Nationalhymne haben sich Ljubé schon einmal vor sechs Jahren versucht. Es wurde ein Flop; zu rauchig, zu metallisch. Beim neuen, offiziellen Anlauf soll jetzt ein Rapper den Text vortragen. Elke Windisch

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