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Kultur: Rebellen hinterm Kühlergrill

Ach ja, die Deutschlandhalle in , nun wird sie also doch abgerissen. Trauer, Wehmut?

Ach ja, die Deutschlandhalle in , nun wird sie also doch abgerissen. Trauer, Wehmut? Vielleicht ist es ein bisschen wie mit dem Palast der Republik in Ostberlin. Vielleicht kommt es darauf an, welche Erinnerungen der Einzelne mit einem Gebäude verbindet. Bier trinken, Tanzen, erste Liebe? Oder negative Rückblicke auf politische Großereignisse: Adolf Hitlers Eröffnungsrede für die Deutschlandhalle am 29. November 1935? Oder aber das rebellisches Vergnügen, gegen alles Totalitäre, Eingrenzende und Freiheitsberaubende Party zu machen – bei Konzerten der Rolling Stones, von Santana oder Harry Belafonte.

Schön war die Deutschlandhalle nicht, weder als Monumentalbau der Nazis, wo schon damals regelmäßig die Zirkusrevue „Menschen Tiere Sensationen“ stattfand. Schön war sie auch nicht nach ihrem Wiederaufbau nach dem Krieg, als die Deutschlandhalle zur größten Mehrzweckhalle West-Berlins wurde. Hier fand so gut wie alles statt: Boxkämpfe, „Holiday On Ice“, Sechstagerennen – und die Show des irren Klaus Kinski, der hier 1971, von Tumulten unterbrochen, seine Version des Neuen Testaments vortrug. Und wo am 12. November ’89 der Fall der Mauer gefeiert wurde, mit Udo Lindenberg, Konstantin Wecker, Nina Hagen, Joe Cocker, Ulla Meinecke und vielen mehr.

Nein, schön war sie nicht, diese erste Multifunktionsarena für Bier- und Bratwurst-Vergnügungen auf unwirtlichem Areal im Westend und mit zugigem Parkplatz. Schön wurde die Halle, deren Portal an den protzigen Kühlergrill eines amerikanischen Straßenkreuzers erinnert, erst dann, wenn vor den Eingangstoren riesige Transparente Konzerte ankündigten. Wehmütig erinnert sich der Rockfan an den brillanten Auftritt der Stones 1973, ihrem ersten Berlin-Besuch, nachdem die Fans 1965 die Waldbühne zerlegt hatten. Oder an Jimi Hendrix, Led Zeppelin, The Who, Chuck Berry, Frank Zappa, The Police, David Bowie, Eric Clapton. Unvergesslich, wie Bob Dylan hier 1978 trotz einer umwerfenden Show ausgebuht wurde, weil er es gewagt hatte, seine alten Songs anders als sonst darzubieten.

Die Akustik war übrigens grausig. Auf den billigeren Plätzen konnte man genauso schlecht hören und sehen wie in den heutigen Hallen à la O2- World. Doch vielleicht überkommt einen beim nächsten Konzert in einer dieser sterilen Arenen doch ein wenig Nostalgie, eine stille Sehnsucht nach dem verrotteten Charme der späten Deutschlandhalle.

H. P. Daniels nimmt Abschied von der Deutschlandhalle

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